Altkleider

Manchmal bin ich wirklich erstaunt. Gestern und heute über die Altkleiderlüge. ja, was habt ihr euch denn dabei gedacht? Das geht doch schon seit mehr als einem Jahrzehnt so. Seitdem sind die Kleidercontainer in eurem Blickfeld und seitdem habt ihr im Fernsehn Dokumentationen über Afrika geschaut und gesehen, dass die Menschen dort in seltsamen T-Shirt-Kombinationen herumlaufen.

Ja, ja ich hör schon auf den Zeigefinger zu heben. Es ist schlimm, dass ich diese Dinge nicht hãufiger und öfters im Blog anspreche, aber ich mag dieses Image nicht und hab mich darauf zurückgezogen, dass ich meine Entscheidungen treffe, aber nicht missionarisch tätig werde.
Die Altkleidercontainer haben es fertig gebracht, dass meine friedfähige und gewaltlose Seele immer, wenn sie an einem vorgeht denkt: einen Eimer Farbe und Säure sollte ich reinschütten, um ihn zu vernichten, den scheinbaren Wert und das Gefühl, hier würde Müll „vermieden“.

Comments (17)

claudiaNovember 5th, 2011 at 15:30

Ein Jahrzehnt braucht es bis es diese ganz offensichtlich bekannte Tatsache in den Mainstream schafft. Ich fass es nicht.

claudiaNovember 5th, 2011 at 15:40

An den Kommentaren bei Claudia Klinger auf google+ sehe ich was das Problem ist. Viele meinen sie hätten eine „gute Lösung“ gefunden. Für ihr Leben im Überfluss. Und da muss es doch jemanden geben, der für den dieser Überfluss einen Sinn macht.

Aber er macht einfach keinen Sinn – und in diesem Zusammenhang sei es gesagt: auch die Tafeln machen nur Sinn, für die, die ihren Ablass zahlen wollen. Ansonsten ist es für uns alle besser, wenn es so wenig wie möglich Armut gibt. Regional und weltweit. Aber im Augenblick gibt es so viel, weil sich eine Schicht darin suhlt.
Ausgiebig.

ChräckerNovember 5th, 2011 at 16:38

Ach, es gibt der blinden Flecken, bei mir zumindest, noch mehr.

Wohl dem, der keine hat. Besser vielleicht noch, man ahnt dann wenigstens ansatzweise, wo diese bei anderen trotz eigenem Erstaunen doch tatsächlich liegen können. Und nicht selten da, wo man es eben mal nicht vermutet hat. Das erklärt dann vielleicht manche Mitteilungsschwierigkeiten aus des Senders Sicht.

SuedelbienNovember 5th, 2011 at 16:50

Also, mir war diese offensichtlich bekannte Tatsache so nicht bekannt. Dafür kenne ich garantiert Tatsachen, die mir schon lange bekannt sind, dir aber nicht. Soll ich jetzt deswegen auch den Kopf schütteln und „ich fass es nicht“ klagen? Ich bemühe mich, so zu leben, dass ich nicht auf Kosten anderer lebe. Aber das geht gar nicht. Wo ich anderen auf die Füße trete, kriege ich gar nicht immer mit. Wenn mir etwas bekannt wird, wo ich mit meinem Verhalten etwas dran ändern könnte und ich entscheide mich dafür, das zu tun, dann tue ich das. Was das Problem ist (wessen denn eigentlich?), kannst du aus ein paar Kommentaren nicht ableiten und schon gar nicht die Ursache den Kommentierenden unterjubeln. Auch du bist Teil des Systems. Wenn dich die Container so ärgern seit Jahrzehnten, warum kippst du dann nicht regelmäßig Farbe oder Säure hinein? Warum tust du nicht einfach das, was du für richtig hältst? Nein – Überfluss tut selten gut. Das wissen wir alle. Und deshalb verzichten wir darauf ja auch mal eben schnell von heute auf morgen, ist doch ganz einfach…

claudiaNovember 5th, 2011 at 21:42

Ich hab schon gesagt, dass ich aufhöre den Zeigefinger zu heben und dass es mein Versäumnis ist, diese Dinge, die mir wichtig sind nicht öfters anzusprechen.

Meine Einstellung ist gewaltlos – daher ist Gewalt gegen Sachen auch keine Lösung.

Doch, ich denke schon, dass ich aus den Kommentaren, aus dem Verhalten der Menschen in meinem Umfeld und aus der gesellschaftlichen Entwicklung – sprich die Verbreitung der Tafeln – schließen kann worum es geht.
Es geht darum sich zu beruhigen, das ist ja noch für was gut, Vorfällen für die Armen. Es lebt sich gut, mit dem Gefühl, den Armen zu helfen und einfach weitermachen zu können wie bisher.

SuedelbienNovember 5th, 2011 at 21:56

Ja, aber das unterstellst du den Kommentierenden. Dabei ist es nur das, was du wahrnimmst. Oder von ihnen denkst. Auch das ist Gewalt. Denn du stülpst ihnen deine Sicht der Dinge über.

claudiaNovember 5th, 2011 at 22:02

Nein, ich lese nur das, was sie kommentieren. Warum sollte ich das nicht ernst nehmen? Und warum sollten sie sonst das in ihren Kommentaren so schreiben?

Sie sind ja alle alle sehr offen und direkt, da muss nichts interpretiert oder übergestülpt werden.

Außerdem finde ich es gut, dass die Menschen ins Nachdenken kommen.

SuedelbienNovember 5th, 2011 at 22:13

Ich weiß nicht, warum du es nicht ernst nehmen solltest. Und ich weiß auch nicht, warum die Menschen ihre Kommentare so schreiben wie sie sie schreiben, außer meinen eigenen 😉

Ins Nachdenken kommen ist ja bei jedem Menschen selbst angesiedelt. Es ist seine Entscheidung. Du kannst es nicht beeinflussen.

ClaudiaNovember 6th, 2011 at 11:21

Die Dinge liegen nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Da ich persönlich immer bei HUMANA gespendet (aber auch selber Second Hand gekauft) habe, suchte ich mal nach deren Stellungnahme – hier ist sie:

http://www.humana-de.org/17_jahr/jahrb4.html

Auszug:
——————————————
Es sollte zu allererst das Interesse der Verbraucher betrachtet werden, und nicht das Interesse eines bestimmten Industriezweigs.
Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß vom Standpunkt der Verbraucher die Lieferungen von Altkleidung wünschenswert sind.

Ähnlich würde auch niemand in der BRD das Einkaufen in Second- Hand-Läden verurteilen, um die deutsche Textilindustrie zu schützen, oder den Handel mit gebrauchten Autos, um die Automobilindustrie zu schützen.
Es verlangt auch niemand ein Import-Verbot von billigen Neu-Textilien aus Südostasien in die BRD, obgleich dies sicherlich in der deutschen Textil-Industrie viele Arbeitsplätze gekostet hat.

——————————————

Humana liefert kostenlos nach Afrika, ein Teil wird an Bedürftige verschenkt, ein größerer Teil geht an lokale Händler:

„Distribution und Ausbesserung der Altkleidung ist zu einem eigenen Wirtschaftszweig geworden, der zigtausende von Arbeitsplätzen in Afrika geschaffen hat.

Ein Heer von KleinstunternehmerInnen ist damit beschäftigt, die Kleidung auch in entlegene Dörfer zu transportieren, zu sortieren, zu verkaufen und auszubessern. So können sie ihre Familien ernähren, Menschen, für die eine andere Beschäftigung meist nicht in Aussicht stand, und lernen gleichzeitig grundlegendes darüber, einen Betrieb zu führen.

Dieser Aspekt wird in Europa häufig nicht wahrgenommen, weil die KleinstunternehmerInnen nicht über eine Lobby verfügen, wie dies bei der Textilindustrie der Fall ist, und vielleicht auch, weil diese Art der Beschäftigung nicht dem Bild des klassischen Arbeitsplatzes entspricht, das noch in unseren Köpfen steckt – großangelegte Serien- produktion unter straffer Leitung.
Der Wert des Kleinstunternehmertums sollte aber nicht unterschätzt werden: es fördert Initiative und Eigenverantwortung und weist auch Menschen in entlegendsten Gebieten einen Weg in die Zukunft.“

Sind doch bedenkenswerte Argumente, oder?

Was das „Leben im Überfluss“ angeht: bezüglich Kleidung lebe ich äußerst spartanisch – aber auch da ist Entsorgung mal angesagt, wenn was nicht mehr passt…

SammelmappeNovember 6th, 2011 at 12:04

Die Entsorgung ist das eine, sich in dem Gefühl zu suhlen, damit irgendjemand etwas Gutes zu tun, das andere.

Nein, ehrlich gesagt, mich überzeugen diese Argumente nicht. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen, wenn man den Verkauf – oder die kostenlose Entsorgung – nach Afrika mit dem Kauf in deutschen Second-Hand-Läden vergleicht. Afrika hat nicht viele originäre Industriezweige und die Textilindustrie war eine der wenigen.
War – wie gesagt, denn das Problem ist schon zwei Jahrzehnte alt und jetzt ist da nichts mehr zu retten.

Ich bin ehrlich gespannt, wann mal eine Reportage kommt, die die Menschen darüber aufklärt, dass die Autos kein Wasserdampf ausstoßen, sondern krebserregende Abgase. Das wird auch einige Unruhe bringen, weil einige es nicht gewusst haben und vor allem: Dass so etwas erlaubt ist.

ChräckerNovember 6th, 2011 at 21:15

Oh, da ist er ja wieder, der Zeigefinger.

ClaudiaNovember 6th, 2011 at 21:48

Ist eher ein Kopfschütteln.

SuedelbienNovember 6th, 2011 at 22:15

Das eine wie das andere erhebt sich besserwisserisch über andere.

ClaudiaNovember 6th, 2011 at 22:23

Wie schön, dass ihr mich gar nicht besserwisserisch auf diese Schwäche aufmerksam macht.

SuedelbienNovember 6th, 2011 at 22:29

Wie schön, dass du sie erkannt hast, Glückwunsch! 🙂

ClaudiaNovember 7th, 2011 at 00:35

Ich kaufe selbst schon seit Jahren second hand bei HUMANA. Hier in der Nähe ist ein mehrstöckiges Kaufhaus mit Mode aus 4 Jahrzehnten… das ist mir einfach lieber als das jeweils aktuelle Angebot, das immer ziemlich eintönig-modisch daher kommt.

Nach Afrika gehen nur die Klamotten, die sie nicht in den Läden verkaufen können. Also es gibt schon das Bemühen, das hierzulande „im Kreislauf zu halten“.

Mich im Gefühl suhlen, mit der Klamotten-Entsorgung jemandem was Gutes zu tun, ist mir fremd. Ich fand das einfach praktisch: Einerseits die Läden mit Mega-Auswahl, andrerseits die Container für das, was nicht mehr passt.

Und ich werde das auch weiter so machen.

ClaudiaNovember 7th, 2011 at 06:00

@Claudia: genau so ist es, es ist praktisch und mehr kann es auch nicht sein. Das wollte ich auch damit ausdrücken. Aber offensichtlich ist es eben für viele Menschen wichtig, sich einzubilden, dass sie in dieser ausweglosen Situaion des Konsums eine Lösung gefunden haben. Noch dazu eine Lösung, die ihnen ein gutes Gefühl gibt.

Für Afrika, wenn man das so verallgemeinernd sagen darf, war die Textilfertigung immer mehr als ein Industriezweig. Es war ein wichtiger Bestandteil ihrer Kultur. Ein Kulturerbe, das verloren ging durch die Altkleiderindustrie.
Der Konsum ist schon eine fatale Sache, den selbst wenn sich jeder von uns immer weiter einschränkt, was durchaus wünschenswert ist, gibt doch die Gesellschaft Normen vor. Die kann man zwar etwas unterschreiten, aber nur eine gewisse Grenze, sonst zieht es Konsequenzen nach sich.
Es sei denn, man lebt als Punk, aber selbst die haben gegenseitig Ansprüche, wie ein Punk leben sollte.
Daher wird es bei diesen Angelegenheit immer nur darum gehen können, den Schaden so minimal wie möglich zu halten. Und dieses minimal kann sich dann eben nur auf die persönliche Lebenssituation beziehen.

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