Mythos Freundschaft

Die Freundschaft ist männlich und gipfelt in der Blutbrüderschaft wie bei Old Shatterhand und Winnetou. Die beste Freundin ist weiblich und der Verrat ist unerträglich.
Die Freundschaft, sie wird hoch gelobt und nur von einer übertroffen: der Gesundheit. Das Wichtigste im Leben scheint die Gesundheit zu sein. Sie wird von den gesunden Menschen immer gerne zitiert.
Freundschaften kennen wir aus unterschiedlichen Zusammenhängen. Es beginnt mit der treuen Freundschaft vom Tiger und – ja von wem? – im Kinderbuch und wir sind alle ganz sicher: Sie ist etwas Edles und Wertvolles. So edel und wertvoll, dass sie nicht in unser modernes Leben passt – aber das geben wir selbstverständlich nicht zu. Die ideale Freundschaft für die lügen wir uns etwas in die Tasche. Mehr als wir es für die romantische Liebe tun.

Expedition ins Reich der Freundschaft. Wir lernen, es ist ganz einfach, man nehme zwei ungleiche Freunde und schicken sie in schwierige Situationen. Wie Pech und Schwefel werden die zusammenhalten. Wie Pech und Schwefel. Das entspricht genau unserer Lebenserfahrung: als wir gemeinsam gezwungen wurden den Heimweg aus der Schule zu gehen. Hat der größere dem kleineren eins auf die Nase gegeben. Der schnellere hat den Stein bei dem alten Mann ins Fenster geworfen und ist schnell los gespurtet, ehe wir uns noch umgesehen haben. ich wurde erkannt und beschimpft.
Ja so beginnen Freundschaften. Sie sind edel und gut und halten für die Dauer. Mindestens so lang wie das Taschengeld reicht oder ich groß genug schreibe, um das Abschreiben über drei Tischreihen hinweg zu ermöglichen. Aber jetzt habe ich schon den einen Schritt vor dem anderen gemacht. Es fängt im Sandkasten schon an. Da werden die Förmchen versteckt und mit der Blechschaufel eins über die Rübe gehauen und nach einer halben Sekunde vorher beginnt der Freund / Feind laut und hysterisch mit fließenden Tränen zu schreien. ich bin perplex, benommen vom Schlag und die Erwachsenen stürzen sich auf mich: „Was hast du getan? Was hast du dem Kleinen getan?“ Der Mythos von der Sandkastenfreundschaft wird nur übertroffen vom Mythos der Sandkastenliebe. Die Sandkastenliebe wird in der freien Wildbahn auch nie gesehen. Wir kennen sie nur aus den Berichten über die Vergangenheit: Das war eine richtige Sandkastenliebe. Aber Tatsache ist, das Foto, das sie dokumentiert, ist genauso gefälscht wie die von Nessie oder den Ufos.
Vielleicht haben romantisch-verklärte Erwachsene sogar eine Bildmanipulation in Auftrag gegeben. Es könnte aber auch sein, dass sie genau dann auf den Auslöser gedrückt haben, als uns der Sand ausging und der Stil meiner Schaufel schon abgebrochen war.

Comments (3)

ClaudiaDezember 20th, 2011 at 18:06

Meine Sandkasten-Feinde hab ich mittlerweile fast alle über FB oder XING wieder „ermittelt“. Mal HALLO gesagt und erzählt, was man im Groben heut so macht. Mehr Gemeinsamkeit ist da nicht mehr.

claudiaDezember 20th, 2011 at 18:09

Ehrlich gesagt: ich kann mich an keine Namen erinnern. Selbst nicht an die, die sehr viel später kamen. Es muss eine Amnesie sein.

(Den Text habe ich gerade gefunden. Er ist schon ein paar Jahre alt.) Ich mag übrigens Freundschaften. Jedenfalls die realen, nicht die idealisierten.

[…] gepackt in der Ecke stehen. Denke viel über Freundschaft nach. Freundschaft hat viele Facetten. Mehr als üblicherweise herangezogen werden. Mein erster Weihnachtswunsch geht nie in Erfüllung, das liegt daran, dass mein Wunschzettel immer […]

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