Das trügerische Gedächtnis

Das trügerische Gedächtnis – Wie unser Gehirn Erinnerungen fälscht von Julia Shaw
Aus dem Englischen von Christa Broermann erschienen im Hanser Verlag

Haben die prägenden Ereignisse unseres Lebens überhaupt so stattgefunden, wie wir glauben? Die Autorin ist Rechtspsychologin und erklärt in diesem Buch die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses.

Das Buch beginnt mit einer nachvollziehbaren Einführung in die Thematik.
Unsere persönlichen Erinnerungen helfen uns, unsere Biografie zu verstehen und uns zu identifizieren. Wir müssen unsere persönlichen Narrative organisieren, um zu erfahren, wer wir sind. Sie bilden die Fundamente unserer Identität. Die Autorin unterscheidet das semantische oder generische Gedächtnis, das die Erinnerung an Bedeutung, Begriffe und Fakten umfasst und das episodische oder autobiografische Gedächtnis. Sie erinnert an die Formbarkeit des Gedächtnisses.

Dann folgen zehn Kapitel.

1. Ich erinnere mich an meine Geburt
Das Gehirn des Kleinkinds ist physiologisch nicht in der Lage langfristige Erinnerungen speichern zu können. Die Autorin erläutert, warum unser Gehirn Infomationsbruchstücke aus anderen Zusammenhängen so zusammen setzt, dass sie sich wie echte Erinnerungen anfühlen.

2. Dirty Memories
Die Entstehung von Erinnerungen hängt von unserer Wahrnehmung ab und unsere Sinne sind trügerisch und leicht beeinflussbar. Das menschliche Gehirn füllt Informationslücken mit Vermutungen auf – wie wir am Beispiel optischer Täuschung alle schon erlebt haben. Wir halten unsere Vorurteile damit leicht für rational abgewogen.

3. Hummeln im Kopf
Auch die Physiologie des menschlichen Gehirns kann uns täuschen. Erinnerungsfehler sind ein Nebenprodukt unseres anpassungsfähigen Gedächtnis. So können Erinnerungsfehler entstehen, weil verschiedene Reize in der Erinnerung miteinander verschmelzen. Das kann passieren, weil wir Erinnerungen immer in schon vorhandene neuronale Netze integrieren müssen.

4. Gedächtnisgenies
In diesem Kapitel geht die Autorin auf die erstaunliche Gedächtnisleistungen von einzelnen Menschen und Gedächtnisgenies ein, wie sie zu erklären sind und welche Auswirkungen sie haben.

5. Lernen im Schlaf
Lernen und Erinnerungen bilden braucht Aufmerksamkeit. Wir sind beim Schlafen nicht aufmerksam und können daher nichts Neues lernen. Anhand der Auswertungen vieler Studien belegt die Autorin ihre Position. Zur Hypnose schreibt sie klar und deutlich: Hypnose existiert nicht.

6. Das Gehirn – ein Detektiv mit Schwächen
In diesem Kapitel stehen unsere falschen Vorstellungen über unser Erinnerungsvermögen im Mittelpunkt. Psychologische Wahrnehmungsstörungen, Tunnelblick, falsche und suggerierte Erinnerungen und der menschliche Hang zur Selbstüberschätzung.

7. Hochemotional
Welche Rolle spielen Emotionen bei der Erinnerungabklärung und was passiert mit traumatischen Erinnerungen?

8. Das digitale Gedächtnis
In diesem Kapitel arbeitet die Autorin heraus, wie die sozialen Medien Einfluss auf unseren Bewusstseinsstrom nehmen und somit auch unsere Erinnerungsbildung beeinflussen und formen. Wie wir selbst unsere Erinnerungen angepasster Formen, indem wir Erinnerungen auswählen, aussortieren, die Posting-tauglich sind. So wie wir in den soziälen Medien wahrgenommen werden möchten. Es entstehen blinde Flecken in unseren Erinnerungen.

9. Erinnerungskrieg
Ein problematisches Kapitel über falsche Erinnerungen im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern.

10. Mind Games
Zum Schluss geht es noch um Denkspiele, Gedächtnispalast, das „Gefühl des Wissens“, Gedächtnisgenies Sendungen durch Assoziation und Bizarrheit.

Fazit: Es ist ein zeitgemäßes Sachbuch über die Unzulänglichkeit und die Manipulierbarkeit des menschlichen Gedächtnis. Manchmal ist die Ansprache der Leserin und des Lesers etwas gewollt salopp und die Ausbreitung der Studienergebnisse langatmig geraten.

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