Schreiben als Selbstvergewisserung. Ich bin noch hier. Ich drücke mich aus. Ich gebe laut. Es kam in den letzten Jahren immer wieder vor, dass es in der Sammelmappe ruhiger wurde. Manchmal weil mir die Worte fehlten, manchmal, weil ich lieber woanders schrieb oder las. Bisher bin ich aber immer davon ausgegangen, dass ich bis ans Ende meines Lebens hier bloggen würde. Da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher. Zwar schätze ich die Sammelmappe, als eine wertvolle Begleiterin durch nicht ganz einfache Zeiten und ein tolles Archiv intensiver Erinnerungen, aber davon gibt es mittlerweile viele im Internet-Land. Es gibt verlassene Baustellen und wildes Gelände. Nie hätte ich gedachte, dass mich Facebook und Instagram so lange begleiten. Der Abschied von Twitter tat weh und ich habe ihn auch nur passiv vollzogen. Ich poste dort nicht mehr, aber mein Konto habe ich nie gelöscht. Heute würde ich keine Wette darauf abschließen, wo ich mich im nächsten Jahr im Internet tummle. Ich weiß aber sicher, dass ich weiter für mich schreiben werden. Mit dem Stift auf Papier. Das ist mir am Nähesten. Da bin ich bei mir. Das wird das letzte sein, was ich im Leben aufgeben.
Über alles andere kann ich nur spekulieren. Mit den Jahren hat sich allerdings meine Neigung verstärkt, möglichst unauffällig und unter dem Radar zu bloggen. Mir ging es immer viel zu sehr an die Nieren, als dass ich hier oder anderswo Konflikte ausrollen oder ausdebatiieren wollte. Dazu nehme ich die Welt zu persönlich und gute Moderation war noch nie meine Stärke.
Hier in der Sammelmappe war daher oft auch ein ausgesprochener Rückzugsraum. Meine Blase, die ich dringend brauchte. Eigentlich hätte ich sie noch viel ausgeprägter gebraucht. Im Nachhinein ist eine da klüger. In Erinnerung an dieses konfortable Wohlfühl-Blasen-Gefühl werde ich die Sammelmappe wahrscheinlich länger betreiben, als es sinnvoll ist. Das ist jetzt schon klar. Aber irgendwann, wird die Wehmut auch ein Ende nehmen und dann ziehe ich weiter.
wenn nicht vorhanden: Melisse wenn nicht vorhanden: Pfefferminze wenn nicht vorhanden: Petersilie
etwas Birkenrinde (von der Birke hinter unserem Haus) Kaffeesatz
Wasser aus einem Brunnen in Sibirien
wenn nicht vorhanden: Wasser aus der Leitung (am besten eine Leitung im Keller oder in der Tiefgarage, so tief in der Erde wie möglich) Für später: Wodka
Und dann, Babulya? Am besten trinkst du einfach den Wodka, meine Kleine. Iss eine eingelegte Tomate dazu.
Poesie ist die Kunst, stehen zu bleiben, wenn alles weiter will.
Sie lauert im Summen der Mittagsstille, wenn die Hitze über den Wiesen flimmert. Im surrenden Sekundenbruchteil, bevor die Kaffeetasse deine Lippen berührt. Im flüchtigen Muster, das ein Vogel mit seinen Flügeln in die Luft schreibt – ein Schriftzug, den niemand festhalten kann und der doch in dir weiterwächst.
Heute Morgen, zwischen Mülltonnen und Absperrgitter, blühte ein Löwenzahn durch den Asphalt. Sein Stängel: verbogen, aber nicht gebrochen. Sein Gelb: ein schmutziger Triumph. Ich blieb stehen. Atmete ein. Und plötzlich war da dieses stille Überschwappen – als würde die Welt für drei Herzschläge alles Überflüssige abstreifen. Nur noch Stängel. Gelb. Licht.
So funktioniert es: Das Poetische ist kein Garten, den man anlegt. Es ist das wilde Kraut, das durch Ritzen bricht. Es blüht nicht für uns. Es blüht trotz uns. Und wenn wir uns bücken, um es zu betrachten, wird unsere Seele plötzlich federleicht. Weil wir begreifen:
Wir sind Gäste in einem Universum, das sich unentwegt in kleinen Wundern entzweit – nur um uns zu zeigen, wie unendlich viel in einem einzigen, unbeachteten Atemzug liegt.
Geh heute mit weichen Augen. Der nächste Augenblick trägt vielleicht schon Samenflügel in seinen Händen.
Ich habe erst spät im Leben gelernt, auf mich selbst zu achten. Oder besser gesagt, ich habe damit begonnen auf mich selbst zu achten.
„Das Herz will sich selbst versorgen, doch wer gibt ihm die Zeit?“
Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Doch sie ist oft schwieriger, als sie klingt. Es ist mühevoll ihr Alphabet zu lernen, sich die Vokabeln anzueignen und die Gramatischen Regeln der Selbstfürsorge zu erlernen. Mit kleinen Babyschritten komme ich weiter. Schritt für sich. Mutig sein und meine inneren Glaubenssätze austauschen, das ist mein Weg auf dieser Odyssee. Vor allem die Glaubensätze helfen mir weiter.
Doch Vorsicht ist geboten. Nicht alle, die meine Hilfe suchen, tun dies mit reinen Absichten. Manchmal lauern toxische Beziehungen im Umfeld, getarnt als außerordentlich hilfebedürftige Konstellationen. Sie saugen meine Energie aus und lassen mich leer zurück. Es ist wichtig, wachsam zu sein und zu erkennen, wann ich mich von solchen Dynamiken distanzieren muss.
Selbstfürsorge bedeutet auch, sich von allem zu befreien, was mir nicht guttut. Es bedeutet, nein zu sagen, wenn es notwendig ist, und ja zu mir selbst und zu all den tollen Sachen, Erlebnissen und Erfahrungen, die die Welt offener und freier machen.
Denn nur wenn wir auf uns selbst achten, können wir auch für andere da sein – stark, gesund und voller Liebe.
Hab drei Tage lang im verdunkeltem Zimmer die Lesungen zum Bachmannpreis auf dem Fernseher geschaut. Dabei wahrgenommen, dass mein Fernseher sich nach vier Stunden ausschaltet, wenn zwischendurch kein Schalter gedrückt wird. Mir haben einige Texte sehr gut gefallen. Gefühlt mehr als sonst. Und ich genieße es, dass ich rasch mal einen Blick auf den Hashtag tddl werfen kann, wenn die Jury in andere Regionen abtrifftet. Da finde ich dann wieder Erdung und merke: aha, das ist wieder so ein Jury-Ding. Das hat gar nichts mit dem Text zu tun.
Außerdem war ich heute bei der Thai-Massage. Bei 31 Grad. Falls ihr jemals gehört habt, dass sie bei der Thai-Massage auf euch stehen oder über euch drüber laufen, dann kann ich jetzt mitreden. Es ist kein Gerücht.
Jetzt warte ich auf die abendliche Abkühlung. Oder die nächtliche. Vielleicht kommt sie auch erst am frühen Morgen.
Wenn ich jetzt schreibe, sie wird heiß gesehnt, versteht sie das vielleicht falsch. Also lasse ich das und träume vor mich hin.
Die Frühlingsblumen im Bethmannpark sind längst verblüht und der Garten sieht etwas verrupft und angewelckt aus. Aber auf so eine charmante und exklusive Art, das ist eine Wucht. Ich bin immer noch ganz angetan von dieser Anlage. Möchte gerne mehr über sie erfahren, aber es scheint nicht so viel Literatur dazu zu geben.
Kaum ist Sommersonnenwende dreht die Hitze voll auf. Die vergangenen Jahre im überhitzten Büro verursachen bei mir eine Panik sobald ich Wettervorhersagen mit Temperaturen über 30 Grad sehe. Es ist schwer, aus der dieser Panikspirale auszutreten. Jetzt muss ich die Tage ja gar nicht mehr in dieser absolut gesundheitsschädlichen Umgebung verbringen. Jetzt darf ich mich schützen und schonen. Mit mehr als 60 Jahren lerne ich Selbstverständlichkeiten.
Sommer. Dieses Jahr sogar ein Sommer, der sich erst heiß läuft. Mit Anlauf. Ein grüner Sommer. Ein prächtiger Sommer. Die Natur gibt ihr Bestes. Sie wuchert. Drängt sich auf. Die Tage sind lang. Hell. Durchdringend.
Mein erster Rentensommer und ich kann wieder gehen. Meistens unbeschwert. Für Notfälle sorge ich vor.
Beim Spazierengehen denke ich darüber nach, was für ein Glück ich doch habe, diesen Sommer so erleben zu können. Ich sehe mehr Blumen am Wegesrand. Ich sehe, wie die Bäume wachsen. Ich höre die Vögel und rieche die Blüten. Das Rentnerinnenleben überschüttet meine Sinne und meine Wahrnehmung. Ich komme kaum mit, hab kaum Zeit für Unternehmungen. Der Sommer ist jetzt da.
Der Sommer will erspürt und gefühlt werden. Ich nehme ihn in mich auf.
Von der Straßenbahn ausgesehen ist Frankfurt eine grüne Stadt. Jetzt im Juni fährt die Bahn durch flirrende Platanenalleen, an den Anlagen und den Parks vorbei. Grün, grün, grün. So weit mein Auge reicht. Unser Ziel war heute der kleine Fischimbiss in der Nähe des Hauptbahnhofs. Dort gibt es den besten Fisch weit und breit. Mit einer Fischtheke im engen Innenbereich. Ein paar Tische und Stühle vor der Tür. Ich liebe dieses Restaurant, das so bescheiden daher kommt. Die Karte ist übersichtlich, alle Konzentration auf den Fisch gerichtet. Dieser Ort wurde für mich zu einem Sehnsuchtsort, weil ich so lange nicht fähig war, dort hinzukommen und in Ruhe am Tisch zusitzen und mich am Fisch zu erfreuen. Dass es heute klappte, machte mich glücklich.
Eine Erinnerung, die ich lange in mir tragen werde.
Die Gambas mit den Fingern essen, die Sardinen so knusprig.