Mein Leben als junge Erwachsene ist hart in die 80er Jahre gestartet. Die Welt stand denen mit wenig Geld nicht wirklich offen, aber ihre Fenster wurden weit geöffnet, frische Luft strömte hinein und wieder heraus.
Die Welt wurde bunt und grell, die Politik zog alle Register. Das Buch lässt die Erinnerungen vorüber ziehen: die Schulterpolster wachsen, der Zauberwürfel dreht sich, die La-Ola-Welle rollt.
Ich blättere mich durch meine frühen Jahre, während die 99 Luftballons fliegen, die Atommächte sich bedrohen und der Weltraum zum Kampfgebiet ausgerufen wird. Die Computer piepen und zurren. Die Freaks dazu lernte ich erst später kennen. Dass Frauen ihre eigenen Wege gehen können, darauf vertraute ich damals mehr als heute.
Die Zeitreise mit diesem kleinen Buch ist ideal als Geschenk geeignet.
In den 70er Jahren bin ich erwachsen geworden. Viel von dem, was tief in meiner Persönlichkeit steckt, hat einen Ursprung in dieser Zeit. Deshalb habe ich mir als erstes der vier Wörterbücher aus dem Dudenverlag von Hans Hütt, „Die 70er Jahre“ herausgesucht. Eine Zeitreise heißt es auf der Rückseite des Buches. Vielleicht ist es auch so etwas wie ein Poesiealbum, gewidmet einem ganzen Jahrzehnt.
Beim Blättern durch das Buch fallen mir viele Erinnerungen wieder ein, es fühlt sich an wie das unerhoffte Wiedersehen mit einer alten Freundin.
Wisst ihr noch? Der Flokati! Was alles so in einem Flokati verschwinden konnte. In seinem zotteligen Fell. Und wehe, du hast Deinen Rotwein darüber verschüttet. Keine gute Idee, sage ich euch. Ganz und gar keine gute Idee. Aber da kommen schon der Aforlook und die Schlaghose. OMG!
Und der Trimm-dich-Pfad! Was ist der alt geworden.
Aber es gab auch ernste Erinnungen, die Rasterfahndung, die Ausbürgerungen und die RAF. Beim Thema autofrei schließt sich der Kreis zum aktuellen Geschehen.
Was für ein Jahrzehnt! Eingepackt in ein kleines, feines Büchlein.
Ausschnitt des Wandteppichs Mutterherz (1947) von Hannah Ryggen mit Mutter und Kind
In Gedanken bin ich immer noch mit den Wandteppichen von Hannah Ryggen beschäftigt. Sie gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Auch die Frau und Künstlerin beschäftigt mich. Es war gut, dass ich mich zum Meetup in der Schirn angemeldet hatte.
Zuerst zögerte ich, weil ich das Format nicht kannte.
In einer diskursiven Gruppenführung sprechen Esther Schlicht, Kuratorin der Ausstellung und Deborah Krieg, stellvertretende Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank, über Hannah Ryggens Tapisserien und beleuchten dabei die Bedeutsamkeit ihres Œuvres aus aktueller Perspektive.
Ich bin ja eher die, die schweigt und kuckt. Was weiß ich, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Jedenfalls war das Gespräch der Schirn-Mitarbeiterinnen mit Doborah Krieg und natürlichen auch den Teilnehmerinnen sehr aufschlussreich. Nie von oben herab, eher wie ein langsames Annähern an die Arbeiten und die Aussagen.
Schon beim ersten Blick auf einen der Teppiche war ich verliebt in dieses Werk. Was für eine Fülle! Was für eine Arbeit! Was für ein Streben nach Wahrhaftigkeit.
Und dazu diese Materialien: handgeschorene mit Naturfarben bearbeitetet Wolle auf selbstgebauten Webstühlen. Das Garn so dicht. So stark.
Ich sag Euch eins: die Welt wäre besser, wenn sie mehr Platz für Wandteppiche dieser Art hätte!
„Das Weinen ist ja auch eine Form der Nacktheit, und beide Formen gleichzeitig zu erleben löst eine Art panisches Mitleid aus. Deshalb bieten Menschen einander Taschenbücher an; es ist ein fürsorglicher Akt, eine Wiederherstellung der Würde, ein Appell, sich anzuziehen.“
Vor zehn Jahren habe ich mir königsblaue Tinte mit Rosenduft gekauft. Was für ein Mensch ich damals war? Wollte dem Schreiben einen Duft verleihen. Gnadenlose Kitsch-Verliebte.
Titelbild der Zeitschrift Philosophinnen mit schwarzem Hintergrund und Zeichnungen verschiedener Philosophinnen aus vielen Jahrhunderten
Nicht nur inhaltlich, auch das Format gefällt mir gut. Es gibt Menschen, die das Äußere für unwichtig halten, aber da gehöre ich nicht dazu. Wenn ich schon Papier in der Hand halte, dann sollte das auch handlich und angenehm sein.
Nicht mal lange suchen musste ich in der Bahnhofsbuchhandlung, es gab so gar einen kleinen Stapel.
Und eine kleine unangenehme Erkenntnis meinerseits: ich bin fast nicht mehr gewohnt für meinen Lesestoff zu zahlen. Hab mir richtig schwer getan, den Geldbeutel locker zu machen, denn sonst lebe ich doch unbeschwert in einer Welt der öffentlichen Bücherschränke, der Leihbüchereien und der Onleihe. Ressourcen gemeinsam nutzen, das klappt bei mir am besten im Bereich des Lesestoffs.
Noch mal zum Heft: mich spricht es sehr an, dass die Artikel übersichtlich, informativ und nicht zu ausführlich sind. Die Zeitleisen helfen mir beim Einordnen der Themen. Für Expertinnen ist es wahrscheinlich etwas zu oberflächlich.
Aber eine Frage hätte ich noch: Warum um Himmelswillen würde der Artikel zu Virginia Woolf mit einem Foto von Vita Sackville-West bebildert?
Umsonst halte ich Ausschau nach dem Bahnhofsklavier. Es ist nicht hier. Die Weihnachtsdeko wird vorsorglich aufgebaut. In welchen Kammern sie wohl den Rest des Jahres ruhen mag?
Die Lichter müssen noch warten. Die Spannung steigt. Am Ende des Tunnels steht immer ein Tannenbaum. Geschmückt mit Wünschen, Gaben und Glitzerkram.