Nochmal zur Großzügigkeit der Felsenbirne
Warum nervt mich das Buch so sehr?
Ich kann das objektiv gar nicht richtig erklären. Es ist intensiv geschrieben und beleuchtet das Thema Geschenkökonomie von vielen Seiten. Das schmale Büchlein findet sich beim Gartenregal in der Buchhandlung. Ein Bestseller zum Mitnehmen und zum Verschenken. Die Autorin spricht wichtige Punkte an, ihre Sprache ist sehr poetisch. Alles Dinge, die ich mag.
Und trotzdem mag ich das Buch nicht, kann es nicht einmal ernsthaft lesen, weil in mir eine genervte Stimme laut mitliest und sich sarkastische und ironische Betonungen ausdenkt. Ich bin regelrecht allergisch gegen den Ton dieses Buches. Bei mir im Kopf hat sich da etwas eingenistet, das diese Allergie auslöst. Ungerechtfertig, aber überzeugend und hartnäckig.
Lasst euch aber nicht davon abhalten, das Buch zu lesen. Es ist gut. Aber auch gute Sachen können Nerven.
Im Garten haben wir mehrere Kupferfelsenbirnen. Ihre kleinen, erst roten, in der Reife fast schwarzen Beeren schmecken ganz gut, die meisten holen sich die Vögel – schön zu beobachten, denn sie müssen heftig auf den dünnen Asten balancieren, um ranzukommen.
Mich als Freundin des naturnahen Gartens würde an dem Buch ärgern, dass es auf einem kompletten Missverständnis der Natur am Beispiel der Felsenbirne aufbaut! (Typisch Stadtmensch am Schreibtisch!)
Die Beerenproduktion ist nämlich KEIN großzügiges Schenken, sondern trickreiche Fortpflanzungsstrategie, wie sie viele Pflanzen verfolgen:
Mit süßen Früchten Vögel oder andere Tiere zum Konsum verlocken, wonach die enthaltenen Samen den Magen-Darmtrackt gut überstehen und dann „irgendwo“ ausgeschieden werden – wo mit Glück eine neue Felsenbirne wachsen kann.
Weder Pflanzen noch Tiere sind geeignet, ein Vorbild für unser Verhalten abzugeben! Ganz im Gegenteil sind es – eigentlich! – wir Menschen, die etwas Anderes in die Welt bringen sollten als dieses Fressen & Gefressenwerden, die Revierkämpfe, das rücksichtslose Ausbreiten zu Lasten anderer Arten, wo immer möglich – listige Fortpflanzungsmethoden inklusive.
Was nicht heißt, dass ich Natur nicht bewundere, stellenweise liebe, sie als geradezu „göttlich“ empfinde – allerdings nicht im christlichen Sinn!
Das ist es ja gerade. Die Autorin Robin Wall Kimmerer ist kein Stadtmensch am Schreibtisch. Sie ist eine sehr handfeste Pflanzenökologin. Eine Biologin und Angehörige des Stamms der Potawatomi.
Alles was sie schreibt, schreibt sie aus der Perspektive mit detailierten Expertenkenntnissen und alles was sie dazu interpretiert, sind Dinge, die ich mir so sehr wünschte sie wären so. Im Prinzip geht es in ihren Büchern auch darum, dass eine andere Sicht auf die Welt auch zu einem anderen Verhalten führt. Auch da stimme ich ihr zu.
Aber dann, folgt das große fette genervte ABER meinerseits.