Ich habe erst spät im Leben gelernt, auf mich selbst zu achten. Oder besser gesagt, ich habe damit begonnen auf mich selbst zu achten.
„Das Herz will sich selbst versorgen, doch wer gibt ihm die Zeit?“
Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Doch sie ist oft schwieriger, als sie klingt. Es ist mühevoll ihr Alphabet zu lernen, sich die Vokabeln anzueignen und die Gramatischen Regeln der Selbstfürsorge zu erlernen. Mit kleinen Babyschritten komme ich weiter. Schritt für sich. Mutig sein und meine inneren Glaubenssätze austauschen, das ist mein Weg auf dieser Odyssee. Vor allem die Glaubensätze helfen mir weiter.
Doch Vorsicht ist geboten. Nicht alle, die meine Hilfe suchen, tun dies mit reinen Absichten. Manchmal lauern toxische Beziehungen im Umfeld, getarnt als außerordentlich hilfebedürftige Konstellationen. Sie saugen meine Energie aus und lassen mich leer zurück. Es ist wichtig, wachsam zu sein und zu erkennen, wann ich mich von solchen Dynamiken distanzieren muss.
Selbstfürsorge bedeutet auch, sich von allem zu befreien, was mir nicht guttut. Es bedeutet, nein zu sagen, wenn es notwendig ist, und ja zu mir selbst und zu all den tollen Sachen, Erlebnissen und Erfahrungen, die die Welt offener und freier machen.
Denn nur wenn wir auf uns selbst achten, können wir auch für andere da sein – stark, gesund und voller Liebe.
Hab drei Tage lang im verdunkeltem Zimmer die Lesungen zum Bachmannpreis auf dem Fernseher geschaut. Dabei wahrgenommen, dass mein Fernseher sich nach vier Stunden ausschaltet, wenn zwischendurch kein Schalter gedrückt wird. Mir haben einige Texte sehr gut gefallen. Gefühlt mehr als sonst. Und ich genieße es, dass ich rasch mal einen Blick auf den Hashtag tddl werfen kann, wenn die Jury in andere Regionen abtrifftet. Da finde ich dann wieder Erdung und merke: aha, das ist wieder so ein Jury-Ding. Das hat gar nichts mit dem Text zu tun.
Außerdem war ich heute bei der Thai-Massage. Bei 31 Grad. Falls ihr jemals gehört habt, dass sie bei der Thai-Massage auf euch stehen oder über euch drüber laufen, dann kann ich jetzt mitreden. Es ist kein Gerücht.
Jetzt warte ich auf die abendliche Abkühlung. Oder die nächtliche. Vielleicht kommt sie auch erst am frühen Morgen.
Wenn ich jetzt schreibe, sie wird heiß gesehnt, versteht sie das vielleicht falsch. Also lasse ich das und träume vor mich hin.
Die Frühlingsblumen im Bethmannpark sind längst verblüht und der Garten sieht etwas verrupft und angewelckt aus. Aber auf so eine charmante und exklusive Art, das ist eine Wucht. Ich bin immer noch ganz angetan von dieser Anlage. Möchte gerne mehr über sie erfahren, aber es scheint nicht so viel Literatur dazu zu geben.
Kaum ist Sommersonnenwende dreht die Hitze voll auf. Die vergangenen Jahre im überhitzten Büro verursachen bei mir eine Panik sobald ich Wettervorhersagen mit Temperaturen über 30 Grad sehe. Es ist schwer, aus der dieser Panikspirale auszutreten. Jetzt muss ich die Tage ja gar nicht mehr in dieser absolut gesundheitsschädlichen Umgebung verbringen. Jetzt darf ich mich schützen und schonen. Mit mehr als 60 Jahren lerne ich Selbstverständlichkeiten.
Sommer. Dieses Jahr sogar ein Sommer, der sich erst heiß läuft. Mit Anlauf. Ein grüner Sommer. Ein prächtiger Sommer. Die Natur gibt ihr Bestes. Sie wuchert. Drängt sich auf. Die Tage sind lang. Hell. Durchdringend.
Mein erster Rentensommer und ich kann wieder gehen. Meistens unbeschwert. Für Notfälle sorge ich vor.
Beim Spazierengehen denke ich darüber nach, was für ein Glück ich doch habe, diesen Sommer so erleben zu können. Ich sehe mehr Blumen am Wegesrand. Ich sehe, wie die Bäume wachsen. Ich höre die Vögel und rieche die Blüten. Das Rentnerinnenleben überschüttet meine Sinne und meine Wahrnehmung. Ich komme kaum mit, hab kaum Zeit für Unternehmungen. Der Sommer ist jetzt da.
Der Sommer will erspürt und gefühlt werden. Ich nehme ihn in mich auf.
Von der Straßenbahn ausgesehen ist Frankfurt eine grüne Stadt. Jetzt im Juni fährt die Bahn durch flirrende Platanenalleen, an den Anlagen und den Parks vorbei. Grün, grün, grün. So weit mein Auge reicht. Unser Ziel war heute der kleine Fischimbiss in der Nähe des Hauptbahnhofs. Dort gibt es den besten Fisch weit und breit. Mit einer Fischtheke im engen Innenbereich. Ein paar Tische und Stühle vor der Tür. Ich liebe dieses Restaurant, das so bescheiden daher kommt. Die Karte ist übersichtlich, alle Konzentration auf den Fisch gerichtet. Dieser Ort wurde für mich zu einem Sehnsuchtsort, weil ich so lange nicht fähig war, dort hinzukommen und in Ruhe am Tisch zusitzen und mich am Fisch zu erfreuen. Dass es heute klappte, machte mich glücklich.
Eine Erinnerung, die ich lange in mir tragen werde.
Die Gambas mit den Fingern essen, die Sardinen so knusprig.
Wenn der Schmerz größer wird, werden die Gedichte länger, sagte Marion Poschmann zu Abschluss der Veranstaltung über das Langgedicht.
Es sind so viele Menschen gekommen, dass sie seitlich einen zweiten Raum aufmachen. In der Zeitung hätte sie von der furiosen Eröffnungsveranstaltung der Tage der Lyrik gelesen, murmelt eine Frau im Publikum und ihre Nachbarin stimmt intensiv zu. Sie sei auch hier wegen dieses Artikels. Wenn sie schon die Eröffnung verpasst hatte, wolle sie doch an ein paar anderen Veranstaltungen teilnehmen.
Ich war bei der Eröffnung und auch wenn ich den Artikel nicht kenne, den anscheinend viele lasen, kann ich dieser Einschätzung zustimmen. Die Eröffnungsveranstaltung war eine Wucht. Lyrik in der lebendigsten Form, die ich je erlebt habe. Furios trifft es sehr. Eine Feuerwerk erster Güte. Schön, dass das auch so in die Welt getragen wurde.
Ich dachte ja wirklich ich säße da heute mit ein paar wenigen Menschen, die sich für die Form des Langgedichts interessieren. Da wird es bei den jungen, dynamischen Nachwuchskünstler*innen noch wesentlich impulsiver hergehen.