Antizyklisch

Alle kucken Fußball. Frauenfußball – oder Mädchenfußball – sagen einige dazu. Ich lass die Diskussion mit den Mädchen jetzt. Das scheint ein Generationenkonflikt zu sein und ist nicht wirklich wichtig. Bis vor einigen Tagen hätte ich auch ganz sicher gekuckt. Warum auch nicht? Fußball ist mitten in der Gesellschaft und Frauenfußball gehört dazu.

Tatsächlich? Seit Tagen sehe ich idiotische Werbespots, höre ich dass Fußballerinnen auch schön sein können – wer hätte das jetzt gedacht? – Sie dürfen sich auch ausziehen und einen im wahrsten Sinne des Wortes – dämlichen – Tatort habe ich mir auch schon angeschaut.
Spätestens an dieser Stelle wird mir schwindlig. Aha – und dabei habe ich noch nicht das Thema lesbisch angesprochen.
Frauen, die Fußball spielen sind nämlich lesbisch und Männer, die Fußball spielen sind hetero, ein alter Hut sozusagen und lange überholt. So lange, dass es die Medien jeden Tag wiederholen. Bloß nicht outen, heißt es im Fußball. (Hieß es das im Tennis nicht auch einige Zeit? Doch natürlich, Frauen, die Sport machen sind gefährlich. Gefährlicher als Frauen, die lesen, wie es im gleichnamigen Buch heißt.)

Ich kann diesen sexistischen Kram nicht mehr hören und nicht mehr sehen. Selbst dann nicht, wenn es um das Thema Frauenfußball geht. Jedenfalls nicht, wenn es in dieser Richtung aufgemacht wird.
Ich gehöre noch der Generation an, in der Mädchen sich die Haare abschnitten um wie Jungs auszusehen, damit sie mitspielen durften.
Ich habe mitgefiebert als in einem Film ein junges Mädchen mit allen Konventionen gebrochen hatte, damit sie mitspielen kann. (Das Happy End zu der damaligen Zeit bestand darin, dass sie später Handball spielen konnte. So waren die Zeiten, so war die Welt, die immer größere Probleme als Mädchen- oder Frauenfußball auf dem Plan hatte.)

Als es dann ernst wurde und die Mädchen und Frauen im Dorf sich zusammentaten um eine Frauenmannschaft zu gründen, habe ich mitgespielt, damit sie zu elft waren.
Wer mich aus der Realität kennt, weiß was das für ein Opfer meinerseits war, und dass ich nie eine Bereicherung sein konnte, ich war die elfte Frau auf dem Platz, denn ohne die elfte Frau wurde die Mannschaft nicht zugelassen. Die konnte auch träumend auf dem Platz stehen, da spielten alle drum herum.
Das waren die Beiträge, die ich guten Gewissens dem Frauenfußball gewidmet habe, aber das was die Frauen heute, morgen und übermorgen machen hat vielleicht mehr mit Kapitalismus zu tun als mit Fußball.

Vielleicht täusche ich mich, dann möge frau mir verzeihen.

Comments (4)

ClaudiaJuni 26th, 2011 at 18:09

Ob eine von den zehn Frauen – oder auch mehr – lesbisch war habe ich nie erfahren, interessiert mich auch nicht, auch nicht aus der heutigen Sicht.

Wann die Homosexuellen-Lüge im Männerfussball platzt schon eher, denn diese Lüge ist sozusagen zum Greifen nah, da wird inszeniert, was nur geht – aber verdammt: dieser Knall wird sehr laut werden.

Ich gehe schon mal in Deckung vorsichtshalber, denn ich bin stark geräuschempfindlich.

Claudia SperlichJuni 30th, 2011 at 09:03

Mich interessiert Fußball nicht, und da mache ich zwischen Männern und Frauen mal gar keinen Unterschied. Aber Gerechtigkeit interessiert mich. Deshalb habe ich diesen Artikel sehr gerne gelesen.
Mir hängt es zum Halse raus, das Menschen sich immer wieder rechtfertigen müssen für ihre Handlungen, auch wenn diese Handlungen wirklich niemandem schaden. Ein Junge will tanzen? Ey, is der schwul, so Mädchenkram zu machen? Ein Mädchen will Fußball spielen… siehe oben.
Was mich auch nervt, ist die ungeheure Bedeutung, die der sexuellen Orientierung gegeben wird. Kann nicht einmal einfach egal sein, ob jemand schwul oder lesbisch oder hetero ist?

ViolineJuni 30th, 2011 at 15:36

Wo alles die sexuelle Orientierung angeführt wird, das finde ich auch immer sehr seltsam. Was haben denn fussballerische Qualitäten mit der sexuellen Orientierung zu tun? Das ist doch eine völlig andere Baustelle!

SammelmappeJuni 30th, 2011 at 20:10

Da dachte ich schon, dass dieser Eintrag niemanden interessiert. Umso mehr freue ich mich über die Diskussion, denn die führt genau in die Richtung, die auch mir so unklar ist.
Mir ist noch ganz stark der Artikel von Dorothea über Asexualität in Erinnerung http://fudder.de/artikel/2011/06/20/asexualitaet-ich-bin-28-jahre-alt-und-hatte-noch-nie-sex/

Warum spielt das alles so eine große Rolle? Schwul, lesbisch, hetero – oder asexuell?
Noch mal eine andere Variante. Eine über die mensch ganz besonders ins Grübeln gerät.

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