Als Personalrätin setze ich mich vehement für Telearbeit ein. Als Arbeitnehmerin schätze ich das Privileg ins Büro gehen zu können.
Vor – und auch jetzt in – der Pandemie war für mich immer klar: als Personalrätin kämpfe ich um jeden einzelnen Homeofficeplatz.
Als Arbeitnehmerin bin ich mir jede Präsenzstunde, die ich im Büro verbringe im Klaren, dass sie ein Privileg ist.
Als Mieterin merke ich schon länger, dass sich in dieser Hinsicht ein unguter systemischer Konflikt anbahnt. Arbeiten braucht ein bisschen mehr Konzentration und Ruhe als Wohnen.
Ja! Wohnungen sind zum Wohnen gedacht und gemacht.
Oben schlägt unten und etwas mehr finanzielle Substanz schlägt arm.
Diese Pandemie rüttelt die Gesellschaft auf so viele Arten durch.
Früh am Morgen laufe ich vorbei an den Wartenden. Abends in den Nachrichten sehe ich dann, wie weit der Prozess vorangeschritten ist. Heute war Urteilsverkündung. Und zum ersten Mal habe ich begriffen, dass es genau 18 Plätze im Gerichtssaal gibt.
Achtzehn Plätze. Ich will das jetzt gar nicht bewerten. Mir war das nicht klar. Selbst beim kleinsten Arbeitsgerichtsverfahren habe ich mehr in Erinnerung.
Was mir tief im Inneren aufstößt, ist, dass sie in den Nachrichten über den ersten politischen Mord eines Politikers aus rechtsradikalen Motiven – so umschreiben sie diese Hinrichtung – bei den Ursachen immer aufzählen: Hasskommentare im Internet, die Kollegen haben nicht widersprochen und irgendwie ist die Gesellschaft in Form der anderen immer schuld. Sie erwähnen dann noch, dass seither der Verfassungsschutz mehr Stellen bekam, aber sie thematisieren nicht, wer jahrelang an der Spitze des Verfassungsschutzes stand.
Dass sie zu blind sind, um die vielen anderen Opfer zusehen, daran sind wir ja leider schon gewöhnt.
Heute in den Fernsehnachrichten zur Hauptsendezeit zum ersten Mal das Gefühl gehabt, da kommt jetzt doch langsam Panik auf.
Nach einem Jahr Pandemie wird zum ersten Mal eindringlich berichtet.
Oh, ihr öffentlichen Rechtlichen! Ihr habt einen schlechten Job gemacht in der Pandemie. Dass wir heute stehen, wo wir stehen, haben wir zu einem guten Teil euch zu verdanken.
Hoffen und Bangen. Wie lange kann so ein Gefühls-Jojo wohl schwingen bis es reißt?
Nachts in den Träumen höre ich das Meer und fühle die Wellen. Solange bis irgendein Störenfried die verträumte Idylle stört. Warum soll das im Traum auch anders sein, als im wahren Leben.
Die Zehn-Tage-Wettervorhersage hat grau in grau im Angebot. Aber bald gibt es mehr Licht. Es sind die Kleinigkeiten im Leben, die uns glücklich machen. Es sind die Kleinigkeiten an denen ein Leben scheitern kann.
Durchhalten auf den Wellerman warten. Genau mein Ding.
Your hearts are full again. Duolingo pöbelt mich freundlich an. Aber dieser Satz könnte auch ein Lebensmotto von mir sein: My hearts are full again.
Im Moment ist mein einziges Herz voller Impfwunderträume. Hauptsache sie kriegen es hin, genug Menschen zu impfen. Dann wird es vielen wieder gut gehen. Ich bin voller Hoffnung. Wider alle Vernunft. Voller Hoffnung, dass das klappt.
Ich sehe mir auf Instagram und Facebook beim Altwerden zu. Ich sehe in die Vergangenheit und ahne die Zukunft nur schwach.
Bildbeschreibung: Portrait Claudia im Büro
Im Sommer werde ich 60 Jahre alt sein. So viele Lebenszeit hinter mir, noch etwas Lebenszeit vor mir. Ein bisschen Spaß und einiges zum Lesen. Viele Sorgen und treue Bünde.
Ob es am Lebensalter liegt, dass sich so viele Erinnerungen, so viele Selbstbilder in mir tummeln?
Vielleicht liegt es aber auch an der Kontaktarmut, dass es einfach keinen Abfluss gibt für die guten und schlechten Überreste der Tag- und der Nachtträume?
Mein Innenleben ist gerade ein heilloses Durcheinander. Zu jedem Gefühl gibt es mindestens vier extreme Gegengefühle. Die ganze Gefühlspalette findet gleichzeitig statt.
Über meine größte Sorge mag ich hier nicht öffentlich schreiben, Nur dass sie da ist, will ich notieren. Das Leid, das das Vergessen hervorruft. Das das Leben auf den Kopf stellt und alle Bindungen dazu.
Bin nicht alleine in diesem Schmerz und bin nicht alleine in der speziellen Situation. Kriegsenkelgeneration heißt das heutzutage und bezieht sich auf diesen speziellen Krieg.
Mir wird immer ganz schlecht, wenn ich daran denke, wie viele von diesen verkorksten Generationen alle diese nachfolgenden Kriege immer weitersäen.
So. Das war es für heute mit den düsteren Gedanken. Ich schau noch kurz den Wolken zu, die über den Abendhimmel ziehen.
Viele gute Gedanken wünsche ich euch für diesen Tag.