Heute morgen nur mühsam in den Tag getaumelt. Die Nachwirkungen der Allergietablette. Manchmal werde ich schwach bei frischem Brot und dann beginnt die Allergielotterie.
Frankfurt hat sich über Nacht in einen roten Bereich auf der Corona-Karte verwandelt. Bei mir kehrt eine abstrakte Sorgenwolke zurück.
In den USA hat es nun auch den Präsidenten erwischt. Wenn es in diesem Zusammenhang heißt „Der mächtigste Mensch der Welt“, zucke ich zusammen. Wer weiß schon genau, ob er noch der mächtigste Mensch ist? Den Rang laufen ihm im Moment gerade mehrere Menschen ab. Ein gefährlicher Mensch bleibt er ohne Frage.
Dieser Tag lässt sich nicht dokumentieren ohne der 1.000.000 Toten zu gedenken, die an Corona gestorben sind.
Und das Sterben wird weitergehen. Die Menschheit ist nicht gut darin, sich umsichtig und fürsorglich zu verhalten.
In meinem Alltag versuche ich die Pandemie möglichst auszublenden. Vor allem versuche ich, andere Menschen nicht für ihr Verhalten zu kritisieren. Auch nicht innerlich. In dieser Hinsicht ist mir Twitter wirklich eine Warnung. All diese Menschen, die sich das Recht herausnehmen über andere Menschen zu urteilen und zu poltern. Ja, gibt viele Likes, wenn so hoch vom Ross nach unten geätzt wird.
Aber wer macht schon immer alles richtig? Wer kennt die Lebensrealität von Menschen beim flüchtigen Vorübergehen?
Ja, ich habe auch eine Meinung, meine festen Überzeugungen. Ziemlich starr sogar, gerade was die Infektionsgefahr anbelangt.
Aber der Nabel der Welt bin ich zum Glück noch nicht.
Noch drei Grad kälter als gestern. Das Frieren nicht verlernt. Der Körper wehrt sich heftig und nimmt die rationalen Fakten nicht zur Kenntnis. Es ist immerhin zehn Grad über Null.
Erinnerungen. Völlig unmotiviert brechen sie über mich herein. Einmal in meinem Leben wurde ich als Kind mit einem Pappschild in den Zug gesetzt.
Zweimal um ehrlich zu sein, denn die Rückfahrt zählt auch.
Weiß nicht genau, was diese sechs Wochen mit mir gemacht haben. Ich hab die Freiheit der Lieblosigkeit, in der ich aufgewachsen bin, zu schätzen gelernt. Seither verachte ich alles, das unter dem Schutzmäntelchen der Liebe mit Ketten rasselt.
In den Erinnerungen tauchen die Fotos aus Llanca auf. Jahr um Jahr verbrachte ich diese Zeit in Llanca. Übrig bleibt ein leichtes Ziehen in der Brust. Heimweh nach einem kleinen Ort.
Natürlich ist das schändlich untertrieben, an der Grenze zur Lüge. Die Wahrheit ist: es tut nicht nur weh, ich bin auch orientierungslos. Ein wichtiger Pfeiler im meinem Jahresrhythmus ist eingebrochen.
Es ist dunkel und kalt, wenn ich morgens das Haus verlasse. Ein kleiner Vorgeschmack auf die kalte Jahreszeit.
Seit ich morgens meinen Fußweg zurücklege, seit den frühen Corona-Tagen im März hat es nur an einer Handvoll Tagen geregnet, wenn ich unterwegs war. Eine leicht gruselige Bilanz.
Mein Verhältnis zu meiner Arbeit nimmt in diesen Wochen seltsame Züge an. Ich komme mir vor, wie durch den Fleischwolf gedreht und wie auf einem surrealistischem Gemälde, bin ich selbst die Person, die mich in den Fleischwolf stopft.