Journal19092020
Den Aufmerksamkeitszirkel eng einstellen. Die schlimmsten Medienberichte ausblenden und mich in meiner kleinen Filterbubble einrichten.
Überlebensnotwendig.
Da sonst die Wellen der Boshaftigkeit über meinem Leben zusammenschlagen.
Den Aufmerksamkeitszirkel eng einstellen. Die schlimmsten Medienberichte ausblenden und mich in meiner kleinen Filterbubble einrichten.
Überlebensnotwendig.
Da sonst die Wellen der Boshaftigkeit über meinem Leben zusammenschlagen.
Die Nacht schleicht sich in mein Herz.
Sie schmeichelt mit Lichtern und tröstet mit Sternen.
Lasst uns das Thema wechseln.
Steigen wir gleich ein in die Königinnendisziplin.
Weltschmerz. Damit kenne ich mich aus. Die hohe Kunst des Weltschmerz zelebrieren.
Einen Liebesteppich ausbreiten. Für die Menschheit.
Weil sie ohne gar nicht leben kann.
Der Oleander aus Llanca entfaltet eine weiße Blüte. Wette verloren. Der zweite Ableger schweigt vor sich hin, vielleicht gibt er seine Blütenfarbe im nächsten Sommer preis.
Auf dem Balkon herrscht ständig Durst. Die Sonnenblumen lassen ihre Flügel hängen, ich bin eine unzulängliche Pflanzenhüterin.
Heute morgen wieder zu Fuss durch das Viertel gestreift. In dieser Wohngegend packt die Obdachlosigkeit ihre Armut in ein gefälliges Gesicht. Eine halbe Stunde später, dann ist von ihren Schlafplätzen nichts mehr zu sehen. Kein Krümmelchen, kein Müll, kein unangenehmer Geruch. Sie können nur bleiben, wenn sie unsichtbar sind. Den Sinnen nicht zugänglich.
Und sie beherrschen das alle auf ihre Art. Die große Gruppe Sinti und Roma, die traumatisierte Frau, die beiden Wandervögel.
Wie viel mehr Obdachlosigkeit noch da sein mag, die ich komplett nicht sehe, weiß ich nicht. Die Statistik sagt: ne ganze Menge.
Da draußen scheint es irgendwo ein großes schwarzes Loch zu geben, in dem alle Lebensenergie verschwindet. Ein großer Weltenabfluss für Emotionen und Gefühle.
Ich laufe schon eine Weile auf Autopilot, ignoriere so weit es geht die Medien und bin dennoch durchdrungen vom Elend der Welt.
So fühlt sich also das Altwerden für mich an. Die Welt lastet auf meinen Schultern mit ihrem Gewicht.
Das ist seltsam, denn unter der Oberfläche wächst etwas Neues heran. Ich ahne es mehr, als dass ich es spüre.
Ich wittere es.
Übermorgen werden die Sirenen heulen und die Warn-App ihre Meldungen ausspucken. Sie entdecken den altbewährten Katastrophenschutz neu. Kann nichts schaden, wenn alle ihr Klopapier checken und durchzählen.
Der Spätsommer zeigt sich in der Zwischenzeit von seiner schönsten Seite und ich sehe ihm am Feierabend vom Sofa aus zu. Die Welt dreht sich schnell, aber mein Atem reicht nicht aus, um ihrer Drehung zu folgen. Jeden Morgen raffe ich meine Energie zusammen und tue, was ich glaube, tun zu müssen.
Die Welt zusammen halten.
Niemand kann sagen, dass ich meine Ziele zu niedrig ansetze.
Es muss nicht viel sein, was ich besitze. Aber schön.
Der Satz ist kein bisschen wahr, aber die Hintergrundmelodie zu meiner neuesten Anschaffung: Hab den Rucksack ausgetauscht mit dem ich durch die morgendliche Stadt streife.
Jetzt fehlen noch neue, rosige Schuhe für meine geschundenen Füße. Aber das ist ein harter Kampf.
Der Wind schlägt mir
Die Tür an den
Kopf: so
Empfiehlt sich der
Sommer.
(Sarah Kirsch)
Samstag. Balkon teilen mit dem Wäscheständer.
Haupttätigkeiten: Wippen und Träumen.
Ich halte den Kopf über Wasser. Irgendwie. Weiß selbst nicht so genau, wie ich das mache. Ich taste mich voran. Meinen müden Kopf im Gepäck. Schöne Vorstellung, nicht wahr? Die Müdigkeit nimmt Leib und Seele auseinander.
Auf dem Balkon fliegen die Meisen die Futtersäulen an. Sie kacken ihr Badewasser schneller voll, als ich es nachfüllen kann.
Das schwingende Leben sozusagen.
Mein Kontrastprogramm.