Lesungen zum Bachmann Preis 2020 – Tag 1 Nachmittag

Der Text kommt nicht bei und ich kann mich nicht konzentrieren. Immer schlecht als Einstieg.

Carolina Schutti eingeladen von Brigitte Schwens-Harran

Ich habe die Arme ausgebreitet, als wollte ich davonfliegen, doch etwas stimmt nicht, es sind die Hände, die ich zu Fäusten geballt habe, es sind die harten Fingernägel, die sich in meine Handflächen fressen, ohne dass der Schmerz mein Bewusstsein erreicht.

Der Text kommt nicht an mich heran. So weit, so stumpf. Die Stimme erreicht mich nicht. Häppchenliteratur. Vielleicht bin ich ungerecht. 

Jörg Piringer eingeladen von Nora Gomringer

und
diese leute waren jetzt frei
waren jetzt plötzlich frei
hatten mitihren schlüsseln gewackelt
hatten wir sind das volk gerufen
hatten den diktator erschossen
hatten die zäune durchschnitten
hatten die mauer umgeschmissen
waren mit ihren trabis auf dem weg
kamen aus ungarn
kamen aus der tschechoslowakei
der ddr

Ja, vielleicht staune ich über diesen Text. Die ganze Zeit in einem Text. Jede Generation fängt irgendwo an und vergisst die Vergangenheit. Jede Generation startet an ihrem eigenen Nullpunkt.

Es ist nicht mein Nullpunkt. Aber ich verstehe seinen.

(Ich bin müde und verschlafe die komplette Diskussion über den Text von Carolina Schutti. Im Halbschlaf höre ich die Juror*innen ihre Stimmen erheben. Gegeneinander, miteinander.)

Lesungen zum Bachmann Preis 2020 – Tag 1 Vormittag

Vor dem Fernsehmarathon gehe ich eine Stunde durch mein Viertel. Ich habe mir zwei Tage Urlaub genommen. Mir genehmigt. Mir rausgekommen. Mehr als einmal habe ich mit den Klagenfurter Bedingungen gehadert, nun ist alles anders gekommen.

Ich erwarte mir nicht weniger als drei Tage Corona-Pause von diesen Tagen der deutschsprachigen Literatur 2020. Ablenkung von der Pandemie.

Vor dem Fernsehmarathon gehe ich eine Stunde durch mein Viertel. Ich habe mir zwei Tage Urlaub genommen. Mir genehmigt. Mir rausgekommen. Mehr als einmal habe ich mit den Klagenfurter Bedingungen gehadert, nun ist alles anders gekommen.

Ich erwarte mir nicht weniger als drei Tage Corona-Pause von diesen Tagen der deutschsprachigen Literatur 2020. Ablenkung von der Pandemie.

Jasmin Ramadan eingeladen von Philipp Tingler

Sie konnte nicht anständig staubsaugen und wenn sie, zugegeben  großartig, kochte, musste er hinterher das Chaos beseitigen, denn sie agierte beim Kochen wie ein wildes Kaninchen, hörte scheußliche Popmusik aus ihren kopflosen Tenagerjahren und tanzte dazu herum. Die Küche sah dann aus wie eine verrückte, verschmierte Seele. 

 Spaß kommt erst auf bei der Panikattacke.

Juror meint es sei ein verschränkt Reigen. Den anderen ist die Geschichte zu simple und die Figuren zu simple. Nora Gomringer spricht vom magischen Denken der Frauen.

Philipp Tingler stänkert sich unangenehm in die Diskussion. Irritierend ist die Autorin sieht der Autorin beim Lesen zu. Für das Publikum ergibt sich keinen Mehrwert, für die Lesenden ist es unnötig spannend. 

 

Lisa Krusche eingeladen von Klaus Kastberger

Das Wasser leuchtete grün wie giftige Milch. Es schwappte sämig um Judith herum.
Sie lag auf dem Rücken, mitten im Becken, die Arme ausgestreckt. An der Decke flirrten Reflexionen, das erinnerte sie an Videos von Polarlichtern. Es war schön sich vorzustellen, es wären welche, und sich von Melancholie hitten zu lassen.

Sehr sinnlicher Text. Mir gefällt die düstere Untergangsstimmung und die Pantasiewelt. 

Die Juror*innen außer Tingler finden den Text gut gemacht. 

Leonhard Hieronymi eingeladen von Michael Wiederstein

Er spricht von quälender Schlaflosigkeit, verzärtelten Kräften, Magerkeit und Essstörungen. Den Wein musste er, anders als in Rom, mit einem Beil in Stücke hacken und lutschen, seine Haare klirrten, überall hingen Eiskristalle. Und über das manchmal gefrorene Meer fuhren Bessen und Geten mit ihren Streitwagen auf neugeformten Straßen, um die Einwohner von Tomi mit in Schlangengift getauchten Pfeilen anzugreifen.

Als Kommentar zum Text schicke ich der Standseilbahn ein Gif mit einem dezenten Gähnen. Das ist alles, was ich euch zu diesem Text sagen möchte.

 

Pause

Ich mach mal Pause.

Journal12062020

Heute draußen wunderschön. In der Bücherei hab ich aber fast keine Luft unter der Maske bekommen und ging zum Maskentausch auf die Toilette.

Ohne Kinder und Lerngruppen ist die Stadtbücherei gespenstisch leer.

Feiertag

Einfach nur verflogen.

Die Zeit tut eben immer das, was sie gut kann. Sie vergeht.

Zahlen des Tages: 186.660 und 8.772

Jetzt kommen sie mit ihrem 7 Tage Gedöns auch nicht mehr weiter und nennen die Zahlen niedriges Niveau. Steigen tun sie trotzdem.

Journal10062020

Gestern todesmutig im Feierabend Feierabendverkehr vom Büro nach Hause gefahren. Heißa, das war ein Fest! Bis Montag bin ich dann mental auf meine erste Zugfahrt seit drei Monaten vorbereitet. Augen zu und durch ist jetzt die Devise.

Hab heute mein erstes Webinar von Ver.di zu Arbeitsschutz in Zeiten der Pandemie gemacht und bin begeistert. So viel effizienter als ein Präsenzseminar! Ich sehe mich sofort nach dem nächsten um. Das ist richtig klasse!

Christoph Sydow ist tot. Ich erinnere mich noch gut an sein alshark Blog, das er als Student schrieb. Jetzt ist alles vorbei. Suizid ist grausam.

Journal09062020

Schweigen ist ein Privileg. Ich mache von ihm Gebrauch.

Journal08062020

Mein ganz persönliches Strategiepapier für die nächsten Wochen entwickelt.

Unter Punkt 0 die Vorbereitungsphase eingetragen. Zur Beruhigung von Herz, Gemüt und Seele bedarf es einer geballten Lyrikdosis. Aktiv- und Passivimmunisierung.

Nun folgt Punkt 1 des Strategieplans. Vertraut machen mit alltäglichen Routinen ohne Ansteckungsängste. Ganz wichtig: Nicht vergessen, dass die Ansteckungsvermeidung nur eine statistische Größe ist.

Ins Stammbuch schreiben: Wenn’s schlimm kommt, war es nicht meine Schuld.

Alles wird gut.

Irgendwann.

Bewohnbar

den Sonntag bewohnbar machen

für Herz und Gemüt

in die Tiefe seufzen

auch das Licht kann feindlich sein

Versunken

die Welt in Flammen

der Zündler hinter der Wand

im Herzen die Sehnsucht

für immer und immer

gesegnetes Wesen, geliebter Ort

versunken in Träumen harmloser Mächte

über dir und unter mir

tief entzückt und nah entrückt

flammendes Universum

getragen in Dankbarkeit