Im Büro zum ersten Mal in diesem Jahr den Ventilator angestellt, unerträglich heiß hinter der Scheibe. Aber die Schafskälte sei schon schon im Anmarsch, heißt es. Und der Regen.
Die Nachrichten der letzten Tage machen mich ganz kirre. Vertrauen in Menschen zu setzen, geht nur außerhalb des Medieneinflusses. Es ist bitter. Sehr, sehr bitter.
Ich tröste mich mit Lyrik.
Zahlen des Tages: 183.879 und 8563, ca. 8.700 aktive Fälle.
Die Reproduktionszahl geht nach oben, aber macht ja nichts: Gibt sowie nur Feiertagszahlen in den nächsten Tagen. Lasst sie alle Singen und Tanzen und sehen uns in zwei Wochen wieder. Oder auch nicht.
Die USA werden ordentlich durchgeschüttelt. Der Rassismus ernet, was er gesät hat. Die Geschichte ist vorhersehbar geworden. Traurig vorhersehbar. Eine dunkle Finsternis.
Zahlen des Tages: 183.410 und 8.540 Tote. Weltweit wurde die 6.000.000 Grenze überschritten. In den Nachrichten spielen sie keine Rolle mehr. Die Pandemie zieht zärtlich ihre Kreise.
Während ich diesen Eintrag tippe, läuft der Livestream mit Igor Levit. Er spielt auf dem Flügel ein Werk, das zwanzig Stunden dauert. Vexations von Eric Saties. Damit will er auf das Leiden der Künstler*innen aufmerksam machen, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Vor ihm liegt ein riesiger Stapel Papier, hinter ihm zerstreut, die schon gespielten Notenblätter.
Die Noten eines Leidensweg.
Mein Vater hat mir Dillsamen geschickt. Mit einer genauen Anweisung dazu, wie er gepflegt werden soll. Bisher wächst auf meinem Balkon jedes Kraut mehr oder weniger gut unter meiner Pflege, nur der Dill – mein Lieblingsgewürz – sabotiert mich. Sechs Jahre, sechs Dill-Pleiten. Jede in einem anderen Wachstumsstadium. In diesem Frühjahr kam statt Dill sogar einfach Brunnenkresse aus dem Topf gewachsen.
Mal sehen, ob dieser Samen jetzt den bösen Dillzauber bannt.
Zahlen des Tages: 183.139 und 8.530 Tote.
(Die Zahlen sinken nicht mehr und das Pfingstwochenende wird wohl noch etwas vertuschen, dass die Richtung nicht mehr stimmt. In der Zwischenzeit brennt es in den USA an allen Ecken der Zivilgesellschaft. Ein verlorenes Land am Abgrund.)
Hab einen Tag Urlaub genommen und gut daran getan. Sehr gut. Gerade jetzt, nachdem die Zahlen wieder gestiegen sind. So unnötig.
Das Museum Judengasse ist noch sehr viel interessanter als ich erwartet hatte.
Wer alte Gemäuer liebt, gerne in den Häusern von anderen Menschen herum geht oder wer einfach nur etwas über viele Jahrhunderte jüdisches Leben wissen möchte, ist dort gut aufgehoben.
Den Schlüssel für den alten Friedhof in der Battonstraße bekamen wir auch. Wobei dort die App des Jüdischen Museums sehr hilfreich war. Im Museum war alles so toll aufbereitet, da hatte ich gar nicht an die App gedacht.
Wir waren am Vormittag ganz alleine im Museum. Ein wunderbares Gefühl.