Regen von der feinsten Seite. Beständig. Ohne Wind. Mit diesem typischen „Heute tränke ich die Erde für Euch“ Geräusch.
Wie könnte eine schöner Aufwachen nach diesen Hitzetagen!
Der Himmel streicht sich sein ungewohnt graues Gewand zurecht. Die Venus dahinter gut versteckt. Vielleicht wird doch noch alles gut. In dieser Zwischenwelt.
Der Herbst wird ein Schwergewicht. Soweit traue ich mich die Zukunft vorherzusagen.
Das Tabuthema kreist über meinem Kopf wie ein Geier. Immer bereit sich tief in mein Herz zu stürzen und mir ein Teil davon herauszureißen.
Verzweifelt suche ich nach einer Strategie des Vertrauens und gerate in einen Sumpf.
Was habe ich getan? Ich habe die Arbeit des Frankfurter Gesundheitsamtes gegoogelt.
Beruhigend: es ist sehr groß, mit viel Ressourcen an Personal, Geld, Technik und Software ausgestattet. Es nimmt eine Sonderrolle ein, weil es auch für den Frankfurter Flughafen zuständig ist.
Erschreckend: Die Führung des Amtes. Ich bin fast vom Glauben abgefallen. Ich las die Interviews des Leiters des Gesundheitsamtes in verschiedenen Medien vom Februar, vom März, vom Juni usw. Darin vertritt er alle nur denkbaren Plattitüten – oder besser ausgedrückt Verharmlosungen – die jemals die Runde machten. An der Ausbildung kann es nicht liegen, denn er ist Virologe. Aber vielleicht auf einem anderen Planeten?
Meine Strategie der Vertrauensbildung muss ich daher noch mal überdenken.
Bildbeschreibung: Brunnen auf dem Bornheimer Friedhof mit Gießkannen vor idyllischem grünen Hintergrund
Es hat keinen Sinn mehr, länger als 48 Stunden im Voraus zu planen. Satz mit x. Das war wohl nix.
Dienstlich kommt immer was dazwischen, es ist zum Heulen. Oder zum Lachen, wie auch immer eine das drehen und wenden mag. Das Tabu-Thema drängt sich in jede Ritze meines Lebens. Nimmt Raum ein. Nimmt überhand.
Als Ausgleich lese ich mich in einen Rauschzustand. Lese immer mehr und immer schneller.
Nass bis auf die Unterwäsche geworden. Es kommt dabei nicht wie sonst das leichte Sommerregengefühl auf. Das Grundgefühl bleibt gedämpft. Aber ich schweige. Hab mir das Schweigen selbst versprochen. Vierzehn Tage bis ich platze. Nützt ja nichts und hilft ja nichts.
„Wie gerne hätte ich einen ganz gewöhnlichen langweiligen ununterscheidbaren Sommer gehabt. Solche Zeit ist anscheinend vorbei, die Seltsamkeiten werden uns nun begleiten.“
Die silberne Mondsichel wirkt zerbrechlich hinter den Wipfeln. Ganz zart, vor dunklem Hintergrund. Ich hole mir die Brille und hänge mich über die Fensterbank. Die Sterne funkeln trotz der Lichtverschmutzung nachdrücklich am Himmel.
Wenn ich mich sehr, sehr anstrenge imaginiere ich rasende Sternschnuppen über mir. Mit dem Wünschen halte ich mich zurück.
Wieder eine tropische Nacht mit 25 Grad morgens um 5:30. Es ist dunkel, wenn ich aus dem Haus gehe und ich mache Kompromisse mit mir selbst, weil ich meine Schwäche spüre. Mental und physisch erledigt schleppe ich mich durch die Hitzetage.
Heute startet der Bürovormittag mit prasselndem Regen und einer angenehmen Abkühlung. Was für ein Geschenk!, denke ich. Heute Nachmittag bezahle ich die Quittung: es ist schwüler denn je.
Mein Büro ist ein magischer Ort. Da kommen Menschen mit ihren Sorgen rein und verlassen es erleichtert wieder. So weit, so gut, wenn du eine Personalrätin bist. Allerdings sagt das erste Sorgenverarbeitungsgesetz, dass die Sorgenbilanz im meinen Büro immer ausgeglichen bleibt. Die Sorgen wechseln ihren Aggregatszustand und docken in meiner Seele an.
Dieser Kreislauf funktioniert in unterschiedlichen Varianten: Präsenz-Sorgenaufbereitung, telefonische Sorgenbereinigung auch Online ist diese Magie wirksam. Die Zielgruppe erweiterte über die Jahre ihre Kreise. Selbst die, die in der professionellen Rolle des Gegenübers sind, nutzen die magischen Kräfte, die von diesem Büro ausgehen.
Ab und zu japse ich: Ich bin keine professionelle Seelsorge! Da lächelt das Gegenüber und sagt freudestrahlend, es tut so gut, sich mit dir zu unterhalten.
Und wenn sie den Raum verlassen, dann fragen sie sich, ob das Päckchen, das sie vorher trugen, sich in Luft aufgelöst hat. Oder war es vielleicht nie da? Vielleicht nur eingebildet? Mit neuer Kraft geht es ans Tagewerk.
Habe ich es schon erwähnt? Habe ich es schon erwähnt!
Ein Blog ist schließlich auch zum Dokumentieren da: Mehr als 20.000.000 Corona-Infektionen weltweit. Ich atme kurz durch und ignoriere das Thema für zwei Wochen. Vielleicht. Hoffentlich! Wahrscheinlich.
Wir werden sehen. Irgendwann bin ich die Gelassenheit in Person.
Bei der letzten Corona-Diskussion hier in der Sammelmappe sind mir nachträglich mehrere Lichter aufgegangen. Zum Beispiel, dass die Eliminationsstrategie oft mit dem Lookdown gleichgesetzt wird. Aber das muss ja nicht sein. Sollte auch besser nicht so sein.
Sollte es zu einem neuen Lookdown kommen, dann wurde etwas gravierend falsch gemacht.
Aber wollte ich nicht vorübergehend zu diesem Thema schweigen?