Über dem Hang leuchten die Lichter. Eins davon gehört zu dem Trauerhaus in dem die Töchter um ihre Mutter weinen.
Es ist ein trauriger Tag. In so vieler Hinsicht. Auch aus der anderen Himmelsrichtungen kommen Hiobsbotschaften an, die das Herz schwermachen.
Tränen für den Augenblick und die Vergangenheit.
Dazwischen die Kopfschüttel-Entscheidungsträgerinnen. Eine geballte Ladung an Inkompetenz und Menschen in strategischen Verantwortungspositionen, die nicht an das Virus glauben.
Die traurigste Twitter- Timeline ever. Vielleicht fühlt sich so the End of the f***ing World für die Ü60er an.
Der Covid-19-Virus holt das Schlechteste in der Menschheit hervor. Kackbraune Mäntelchen wehen im Wind. Angeklammert an Stangen mit der Inschrift „Inkompetenz“.
Und ich kann euch sagen: sie wehen so gut. Den Geruch überriechen wir mal lieber.
Wir tanzen nie auf dem Vulkan.
Wir bauen eine verbotene Stadt. Mit ganz besonderen Regeln. Dem Himmel nah.
*** Lebensticker *** mehr als 1000 Corona-Invizierte *** zwei Tote *** aber die sind ja auch schon schrecklich alt gewesen *** dreimal Schnappatmung verursacht durch zwischenmenschliche Grausamkeit *** Vollmond *** Börsencrash *** Ölcrash *** Menschenrechtscrash *** Vorfrühling *** Sturheit *** die Macht der Schwachen *** kalt geträumt *** Nachhall *** Panik im Griff *** zur Seite stehen *** Außengrenzen ***
Weltfrauentag. Coronavirus. Das Leid der Geflüchtenden an der Grenze. Die Trauer über die Ermordeten in Hanau. Die Sorge um die Kranken, die Schwachen.
Alles auf einmal. War das schon immer so?
Wahrscheinlich schon.
Heute morgen las ich beiläufig die Forderung nach einer EU-weiten Gesundheitsstrategie im Krisenfall. Nach einer Art Robert-Koch-Institut für Europa.
Vor einem oder zwei Jahren hätte ich das noch für eine gute Idee gehalten, aber jetzt wo sich die Rechten in alle Ecken der EU einnisten, stockt mir bei diesem Gedanken der Atem. Über die klassische Seuchenbekämpfung lassen sich so viele Überwachungsszenarien und Diskriminierungsmaßnahmen einführen, allein der Gedanke gruselt mich.
Andererseits ist es ein Armutszeugnis, dass im Moment nicht mehr passiert, um das Virus einzudämmen. Sie lassen munter die Menschen in die Fussballstadien und so ein Lackaffe von der krankenkassenärztlichen Vereinigung redet dummes Zeug.
Fast wäre ich in Versuchung zu sagen, wie ist der denn an seinen Job gekommen?
Dabei weiß ich doch sehr gut, wie das in diesen Zeiten geht.
Hab den Überblick verloren. Lebensfreude gefunden. Mich geborgen gefühlt. Aufgeatmet über schlechte Nachrichten, sie hätten noch schlechter sein können.
(Bildbeschreibung: Nächtlicher Blick vom Balkon auf das erleuchtete Stadion am Bornheimer Hang)
Jeden Tag fühle ich mehr, dass sich mein Energiereservoir leert. Peinlich genau achte ich auf meinen persönlichen Akkustand. Der darf nicht zu sehr absinken. Hab noch was vor.
Ein, zwei, drei, vier Sachen hab ich noch vor im Leben. Nicht viel, nicht groß, aber wichtig für mich.
Ich sehe weg. Schweren Herzens, aber mir bleibt keine Kraft mehr. Keine Energie. Keine Idee. Kein Vertrauen, dass sich an den Grenzen etwas zum Guten wenden könnte.
Tief durchatmen hilft nicht mehr. Das Leid hat System und die Gewalt hat die Macht.
Gegenseitige Verantwortung übernehmen. Das ist das erste und wichtigste, was uns das Virus lehren könnte. Wenn du stark und gesund ist, dann liegt es in deiner Verantwortung, diese Stärke sinnvoll einzusetzen. Nein, es nutzt uns nichts, wenn du wohlgemut und frohgelaunt deine Viren an deine Umwelt verteilst.
Es rächt sich, dass krank zur Arbeit zu kommen, fast zum Statussymbol verkommen ist. Asoziales Verhalten mit neoliberalen Glorienschein wird jetzt zum Bumerang.
Das Virus könnte uns lehren, dass wirtschaftliche Beziehungen ebenso wie die Produktkreisläufe verantwortlich überprüft werden müssen. Globales Krisenmanagement braucht feste Säulen, sonst kommt man mit Kostenminimierung direkt in des Teufels Küche.
Das Virus könnte uns lehren, uns vor den Carearbeiter:innen zu verneigen. Ihren täglichen Einsatz zu achten und zu würdigen.
Das Virus könnte uns lehren, wie wichtig es ist zusammen zu stehen. Die Gesellschaft als Ganzes zu sehen. Als Zusammenschluss, der nur in seiner Gesamtheit funktionieren kann.
Privat sind es gedämpfte Tage. Schlechte Nachrichten, mit denen ich zu kämpfen habe.
Durch mein Elterntelefonat läuft ein Hündchen und sorgt erst mal für Irritation und erst später für ein Lächeln.
Es geht drunter und drüber.
Ich kann das gerade sehr schwer sortieren.
Gestern und vorgestern an der U-Bahn im Laufband das Statement der Verkehrsbetriebe zum Gedenken an die rassistische Morden in Hanau: Alle fahren mit.
Und zwischendrin immer wieder die Sorge, um das Virus das um sich greift.
Heute können auch die ihre Einkaufswagen füllen, die auf das Geld warten mussten. In Krisenzeiten zeigt die Ungerechtigkeit ihr schäbigen Gesicht noch schamloser als sonst.
Ich melde mich wieder, wenn ich gute Nachrichten habe sagt die F und schweigt.
Manchmal wünsche ich mir einen Zauberspruch, für eine bessere Welt.