Journal27092019

Ein Tag im Jahr.

Der Tag im Jahr. Der 27. September ist der Tag an dem Christa Wolf immer ausführlich ihren Alltag beschrieb. Ich liebe die beiden Bände mit ihren Beschreibungen sehr. Alltagbeschreibungen von Frauen kann es gar nicht genug geben, wenn es nach mir geht.

Cover mit einem Foto von Christa Wolf in jungen Jahren mit Jacke und den Händen in den Jackentasche des Bandes Ein Tag im Jahr 1960 – 2000

Manchmal finde ich es schade, dass die Sammelmappe für mich kein Tagebuch-Blog im herkömmlichen Stil sein kann. Aber diese Entscheidung ist vor langer Zeit gefallen. Hier kann es immer nur um mich oder um überpersönliche Dinge gehen. Zu groß ist sonst die Gefahr unabsichtlich die Grenzen von anderen Menschen zu übertreten.

Auf dem Papier führe ich mein privates Tagebuch. Da darf mehr hinein und Ungeschminktes. Später werde ich die Tagebücher dem Tagebucharchiv vermachen.

Die Sammelmappe wird vom Literaturarchiv Marbach archiviert.

Lebensaufgabe: Frauenleben dokumentieren.

Nachtrag: Etwas verspätet kommt das viel stimmige Blog-Projekt Ein Tag im Jahr auch bei mir an. Ein Twitter-Account und #einTagimJahr gibt es auch dazu.

Journal26092019

Die Bahnhofsuhr am Eingang des Hauptbahnhofs zeigt 6 Uhr 38 an. Es ist dunkel, die Bahnhofshalle ist beleuchtet, Personen laufen durch die Eingangstür zur Halle.

Auch heute könnte ich meinen Müdigkeitspost fortsetzen. Immer weiter schlafen wäre ein Traum.

Das Wochenende verspricht Müdigkeitslinderung.

Journal25092019

Ich könnte ein Müdigkeitstagebuch schreiben. Tag um Tag, Nacht um Nacht. Mich macht alles müde: das Büro, die Welt, das Wetter, die Menschen, die Luft.

Die Freude, die Traurigkeit, die Angst und die Hoffnung, das Gestern und das Morgen.

In mir wächst die Müdigkeit von Generationen an. Kleine Müdigkeitspflanzen entwickle ich schleunigst zu einem Müdigkeitsdschungel.

Ich bin müde und gehe jetzt schlafen.

Journal22092019

Blick in der Nacht aus dem Fenster auf den Vollmond hinter den Bäumen. Die Lichter vom Riederberg und von der Autobahn sind zu erkennen. Auch ein paar wenige Sterne.

Schlaflos unaufgeregt.

Aufgeregt schlafend.

Die Tendenz ist noch nicht geklärt.

Schlaft gut, ihr Lieben!

Journal21092019

Ein sonniger Herbsttag wie aus dem Bilderbuch. Ein Himmel so blau, dass Du ihm alles zutraust. Eine Stadt, die Dein Zuhause ist.

Eine Dokumentation der Idylle. Ein Stillleben ohne visuelle Störung.

Alles Weichgezeichnet. Da sind keine Extrafilter notwendig.

Lass es perfekt sein.

Für diesen Tag.

Journal20092019

Wütend. Weil der Stinkefinger der Mittelschicht so überheblich und arrogant in eine Richtung zeigt.

Politik ist auch das, was ihr jeden Tag lebt. Schon vergessen?

Wer nimmt einen unterwürfigen Proleten ernst? Nicht mal einen würdigen Namen habt ihr noch dafür.

Unterschicht. Bildungsferne Schicht. Hartz4ler. Altersarmut. Kinderarmut. Obdachlose. Wohnungslose. Unschuldig in Not-gekommene. Tafel-Gängerinnen. Kundinnen bei der Arbeitsagentur. Menschen mit Migrationshintergrund. Clan_Familien. Überhaupt: Problemfamilien und Problemkinder.

Ich bin stinkwütend über diese Arroganz und Überheblichkeit. Über die Super-Heldinnen-Geschichten und die globale Mittelstandsvernetzung.

Wer erzählt denn die Geschichten der Gedemütigten und der Stillen? Wer bestimmt die Rahmen und wer legt das Punktesystem fest?

Journal19092019

Heimat ist dort, wo die Menschen mich finden.

Die Sammelmappe trägt mich durch einen Teil meiner Erinnerungen. Behutsam und konsequent.

Die wichtigsten Eigenschaften für eindringliche Poesie.

Weit hinaus

Weit hinaus.
Die Träume kennen kein Ziel. Nur einen Zustand.
Sie fließen.

Weit hinaus.

Festung am alten Hafen in Marseille mit Blick auf das Meer

Journal17092019

Wie so oft vergesse ich vor lauter Sehen und Hören das Fotografieren. Später werden sie mir fehlen, die ungemachten Fotos. Die visuellen Erinnerungen werden sich ihre eigene Vorstellung kreieren. Mit viel Phantasie weit ab vom Wahrheitsrand.

Ich bin hier. Ich bin ich. Ich bin ein sehendes und hörendes Etwas. Ein Wesen auf Input eingestellt. Solange bis alles zuviel wird und sich die Schotten schließen.

Diese Woche schaue ich nicht nach rechts. Denn dort ist es viel zu ungemütlich. Ich schaue in die Welt und darüber hinaus.

Journal16092019

Wie die Zeit plötzlich dahinrennt, wenn die 60 nahe am Horizont erscheint.

Wie kostbar die Tage und Stunden mit einmal werden.

Wie dein Körper dir in vielen Sprachen und noch mehr Dialekten mitteilt, dass er sich in keine Schablone mehr pressen lässt.

Wie dein eh schon empfindliches Mimosenseelchen auf Schonhaltung besteht.

Wie die Erinnerungen immer wertvoller werden.

Wie deine Lebenserfahrung einen schalen Beigeschmack gekommt angesichts der anstehenden Veränderungen.

Wie das Wesentliche dann doch erhalten bleibt.

Und wie das innere Kind, die alte Frau tröstet.