Hab ich in der Sammelmappe schon den Account der Tante Inge bzw. der Ingeborg Loh erwähnt? Sie hat einen großen Schatz an Lebens- und Alltagsdokumentation in Form von Fotos und Kalendern hinterlassen, den ihr Neffe in Form eines Twitter- und Instagram-Accounts präsentiert.
Ich lese „Meine geniale Autorin“ von Nicola Bardola über das Verhältnis von Elena Ferrante zu ihren Texten, zur Öffentlichkeit und zu den Leserinnen und Lesern. Es geht voralllem auch um das Pseudonym und warum er es für richtig hält, dass über die Identität von Elena Ferrante spekuliert werden darf. Dass es für den Text auch wichtig ist, das zu tun.
Er steht auf dem Standpunkt, dass die Menschen in Deutschland in dieser Hinsicht zu streng reagieren. Er zieht als Erklärung für seine Argumente eine Vielzahl an Selbstaussagen heran, die in der deutschen Übersetzung erst vor kurzem zugänglich sind. In Italien schon seit 15 Jahren. Er argumentiert an diesen Selbstaussagen und hangelt sich durch ihre Texte.
Der 11. September zählt achtzehn Jahre. Es war ein seltsames Gefühl heute im Amt so viele Papiere mit diesem Datum abzuzeichnen. Als ob es ein Datum wie jedes andere sei.
Das eine einfach so hin schreibt neben die Unterschrift.
Achtzehn Jahre Hass und Gewalt. Ein Winter der Liebe und des Vertrauens wären jetzt dran. Dann ein Frühling der Nachhaltigkeit.
Zur Einstimmung könnten wir beginnen mit einem Herbst der Mitmenschlichkeit und der Solidarität.
Unschönes Erlebnis heute morgen auf dem Weg ins Amt. Eine angedeutete Attacke auf mich, ein Angriff, eine Bedrohung. Ich finde das rechte Wort nicht dafür. Die Polizei habe ich nicht geholt. Wollte nicht, konnte nicht, hätte ich aber tun soll, denn der kranke Mann hatte vorher eine andere Frau angegriffen, geschrien, im letzten Moment von ihr abgelassen. Die angedrohte körperliche Attacke, im letzten Moment nicht ausgeführt.
Eigentlich fühle ich mich wohl in der Bahnhofsumgebung. Ich hab das schon öfters erwähnt. Der Bahnhof ist mir vertraut und wirkt heimelig und entspannend auf mich.
Aber heute Morgen hatte ich Angst. Das Schlimmste war plötzlich gegenwärtig. Da ist einer der dich vernichten will. Da ist einer, der den Hass mit sich trägt.
So viele Jahre sind vergangen und jetzt ist es soweit. Ich habe Angst, weil ich so viel über das Böse weiß. Weil die Angst mir überall in den Kopf eingetrichtert wird. Weil sie sich ein Gesicht sucht.
Mir fehlt das Fräulein ReadOn mit ihren seltsamen Geschichten. Mit ihren Kommentaren und ihrem Twitter-Leuchten.
Vielleicht finden ihre Angehörigen irgendwann die Kraft, die Erzählungen von Marie-Sophie wieder online zu stellen. Denn da gehören ihre Geschichten doch hin. In den virtuellen Raum einer besseren Welt.
Mir hat an Marie Sophie immer gefallen, wie sehr sie sich für eine bessere Welt eingesetzt hat. Auch dann als ich begriff, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Bei mir kam der Punkt, als die Fragen an sie in den Twitter-Replays gestellt wurden und sie so heftig reagierte. Aber das war nicht so wichtig für mich. Sie schrieb ins Blog, sie lebte ein Online-Leben sie durfte auftrumpfen, selbst schwindeln im Namen der Gerechtigkeit und des Guten.
Ich bin mir ganz sicher, dass sie von einer der guten Märchenfeen abstammte. Bestimmt trug sie auch Gene der guten Elfe in sich. Sie war auf ihre Weise ein Frau voller Wahrhaftigkeit und mit einem barmherzigen Gemüt.
Egal was ich heute hier über sie schreibe, ich werde ihr nie gerecht. Nicht einmal im Ansatz.
Es ist so traurig, dass sie gehen musste. Sie fehlt in dieser Welt.
Gestern noch mal über das Einmischen nachgedacht, das Online oft als Zivilcourage abgefeiert wird, dessen Übergang zum Übergriffigen manchmal schleichend ist.
Für mich gilt da konsequent die Regel, dass ich mich nicht über den Kopf von betroffenen Personen hinweg einmischen kann, es sei denn es geht um Leib und Leben oder eine Straftat.
Jetzt denke ich schon eine Weile darüber nach, ob sich in dieser Hinsicht die Gesellschaft wirklich so sehr verändert hat, wie es mir vorkommt. Es scheint irgendwo immer ein Grüppchen Menschen in der Ecke zu stehen, die ins Spielfeld des Lebens fremder Menschen hineinrufen, was sie zu tun und zu lassen haben. Möglichst laut, möglichst derb, möglichst im Brustton der Überzeugung, möglichst von oben aus einer privilegierten Position heraus.
Früher gab es halt die zwei, drei bekannten Klatschbasen, Moralapostel und Besserwisser im Haus, in der Straße oder im Viertel. Heute haben die sich zu einem virtuellem Chor zusammengeschlossen und blöcken ihre Rechthaberinnen-Hymne durchs Netz.
Die Plattform mojoreads taucht schon seit ein paar Wochen immer wieder in meiner Timeline auf. Ich hatte sie für mich abgespeichert als „Irgendwas-Mit-Bücher-Kaufen“ und nicht weiter drüber nachgedacht.
Die meistens Bücher lese ich über die Onleihe oder bestelle sie mir über einen Anschaffungsvorschlag bei der Stadtbücherei. Und mein Reader-Problem habe ich immer noch nicht gelöst.
Aber weil ich experimentierfreudig bin, habe ich mich dort angemeldet und was soll ich sagen: es ist der Hammer. Es ist soviel mehr, als das was ich dachte. Es ist ein tolles nichtkommerzielles Projekt. Ein Netzwerk ohne Datenfalle, eine anwendungsfreundliche Plattform zum Mitmachen, Teilen, Kaufen und Lesen.
Es macht Spaß dort. Kommt alle hin!
Christiane Frohmann, Zoe Beck, Berit Glanz und noch ganz viele andere sind auch da.