Journal18042020

Tag 26 Kontaktverbot

Hab fast keine Lust etwas zum heutigen Tag aufzuschreiben. Obwohl ich mich gut gefühlt hatte. Vor mich hin getrödelt. Gelesen. Ich lese wieder.

Dann die Zahlen angeschaut. Wie kann man sich nur so in Sicherheit wiegen, wenn nach vier Wochen Kontakteinschränkungen 3.700 neue Fälle an einem Tag hinzukommen?

Ich weiß, Panik machen bringt nichts. Aber wenn die Menschen in einem brennenden Gebäude chillen, ist das auch irritierend. Mit jeder weiteren Infektion geben wir diesem Virus die Chance zu mutieren. Und dieses Virus wird mutieren. Die Frage ist nur wann. Da die Menschheit dem Virus so ein super Experimentierfeld bietet, wird es sich diese Chance nicht entgehen lassen. Das Virus wird dann gefährlicher werden.

Alles bekannt. Alles alte Hüte und trotzdem wird nicht so gehandelt, dass die Infektionsketten unterbrochen werden.

Nicht jetzt und schon gar nicht in zwei, drei oder vier Wochen.

Es wird ein Sommer bei 35 Grad auf dem Balkon werden.
Für die, für die es gut ausgeht.

Die anderen betrauern ihre Kranken und Toten.

Zahlen des Tages: 142.872 und 4.426 Tote ca. 52.000 aktive Fälle.

Journal17042020

Tag 25 Kontaktverbot

Hab Nachrichten gehört und jetzt das Gefühl, da geht was ab, was sich mit rustikaler Durchseuchung umschreiben lässt.

Selbst Gottesdienste wollen sie wieder zu lassen. Na, das gibt ja ein tolles Experiment! In der Zwischenzeit steigt und steigt die Zahl der Toten.

Egal. Ich wippe auf dem Balkon unter blauem Himmel vor mich hin. Noch so eine Katastrophe. Es regnet nicht. Es regnet einfach nicht.

Nachher sehe ich mit M die neue Staffel von Bosch an. Ich mag das. Gemeinsam schauen und nur an das fiktionale Böse schauen.

Zahlen des Tages: 139.041 und 4.193 Tote, sowie ca. 52.000 aktive Fälle.

Journal16042020

Tag 24 Kontaktverbot

Dass eine Pandemie eine große Katastrophe ist und wir im Moment noch in der Phase „Ruhe bewahren und Unfallort absichern“ sind, ist in vielen Homeoffices noch nicht angekommen.

Wir sind ja nicht mal bei der „Ersten Hilfe“ angelangt.

Also bitte: Doppelt Ruhe bewahren und weitermachen.

Zahlen des Tages: 135.663 und 3.867 Tote. Ca. 55.000 aktive Fälle.

Als wir in die Zeit der Beschränkungen hinein liefen, hatten wir 4.000 Infektionen. Ein Monat ist das jetzt her und in den letzten vier Tagen sind fast 1.000 Tote zu beklagen.

Journal15042020

Tag 23 Kontaktverbot

Ich richte mich ein in dieser schweren Zeit. Schniefe seit Wochen vor mich hin und ächze und seufze. Allergie- und Gemütsbedingt.

Langsam hülle ich mich in Hoffnung und Wohlgefallen, um nach ein paar Stunden wieder allen Mut zu verlieren. Am liebsten würde ich schreien: Weg hier! Lasst mich das machen!

Aber zu wissen, wo das Ziel liegt, heißt noch lange nicht, denn Weg zu finden und ihn zurücklegen zu können.

Freude habe ich daran, dass ich wieder lesen kann. Dass mein Schatz seit einem Jahr hier lebt. Dass ich Nachrichten habe, die immer sehr zögerlich aus einer gewissen Ecke kommen. Dass ich stricken und häkeln kann. Dass es Frühling ist. Dass die Blumen blühen. (Sie können ja nichts dafür.)

Nur den Flieder, den hätte ich gern ein paar Meter weiter weg von meinem Fenster.

Zahlen des Tages: 133.209 und 3592, ca. 60.000 aktive Fälle

Journal14042020

Tag 22 Kontaktverbot

Noch immer übermannt mich diese Müdigkeit. Trotzdem raffe ich mich mitten in der Nacht auf, um ins Büro zu rennen. Die Ampeln sind heute alle gegen mich.

Zum ersten Mal seit Wochen traue ich mich wieder in den Hauptbahnhof. Er ist seltsam leer, außer mir kaum eine mit Maske. Warum?

Schnell besorge ich die Sachen auf der Einkaufsliste für die Risikoperson. Ein paar mal dauert es, aber ich muss nicht unruhig werden, hier ist überall Platz.

Auf dem Heimweg nehme ich die Straßenbahn. Eine Premiere. Ausnahmsweise und baustellenbedingt steht sie vor unserem Bürogebäude. Sie tuckert mit mir durch die Stadt. Langsam, wo ich doch sonst immer die schnelle, dunkle U-Bahn-Variante nahm.

Im Briefkasten eine freundliche Überraschung für mich.

Zahlen des Tages: 131.359 und 3.294. Wo kriege ich jetzt meine anderen Daten her?

Journal13042020

Tag 21 Kontaktverbot

Lockerungen. Exit-Strategie. Möchtegerne-Krisen-Strategen.

Wir sind mit ca. 4000 aktive Fälle in unsere Beschränkungen hineingetrudelt und konnten sie nicht nachvollziehen und isolieren. Wie soll das jetzt auf dem Niveau von fast 70.000 klappen. Alle Länder, die es ohne Ausgangsbeschränkungen schaffen, bewegen sich auf einem vollkommen anderen Infektionsniveau.

Im Laufe des Tages wir das Papier der Leopoldina bekannt. Woraufhin ihr Server zusammengekracht.

Ein Hinweis auf ihre Kompetenzen?
Oder eher so: Der erste Eindruck trügt?

Es ist ein komplizierter Plan und wieder wird klar: Ohne Maskenpflicht, Desinfektionsmittel und Tests geht gar nichts.

Ich muss morgen schon wieder ins Büro. Ich darf ins Büro muss ich vielleicht jetzt bald schreiben, während andere ihren finanziellen Boden verlieren. Nichts davon ist gut.

Wir hätten besser vorbereitet sein können. Viel besser. Das ist eine Katastrophe mit Ansage und viel Vorlauf. Bei jeder Warnung wurde weggeschaut und weggehört.

Wem wird heute zugehört?

Zahlen des Tages: 128.092 und 3.038, ca. 65.000 Genesene

Journal12042020

Tag 20 Kontaktverbot

Sie brüllen wie die Löwen und rütteln an den Gittern. Wenn sie vor vier Wochen das Sagen gehabt hätten, wäre es uns ergangen, wie den Ländern um uns herum. Als wenn das eine Frage des entweder oder wäre! Wenn wir jetzt Fehler machen dann haben wir beides: eine medizinische Katastrophe und noch schlimmere wirtschaftliche Probleme.

Wir brauchen eine kluge Strategie. Ausgeklügelt und abgestimmt. Und voralllem brauchen wir Masken, Masken, Masken und Tests, Tests, Test.

Gänsepaar im Ostpark mit drei Jungen

Ostersonntag. Eine Stunde Rundlauf heute morgen. Ein bisschen auf dem Balkon gewippt. Immer noch große Freude über den Schaukelstuhl und dass er noch vor den Feiertagen ankam.

Gehäkelt. Gelesen. Endlich klappt es wieder ein bisschen mit dem Lesen. Gegessen. Zum Nachtisch ein Eis. Die Tage vergehen rasend schnell. Ich möchte sie festhalten. Sie anhalten. Aber den Zauberspruch dafür kenne ich nicht.

Zahlen des Tages: 125.975 und 2907.

Journal11042020

Tag neunzehn Kontaktverbot

Ob ich jemals wieder den Weg raus aus dem Kokon finde?

Die Morgensonne ist ein Traum, der Mittag verfliegt im Nu und Abends ist es in der Höhle am Schönsten. Gestern große, große Angst, dass all das Gewonnene durch Ungeduld versiebt wird. Fast verzweifelt, heute Gleichgültigkeit an dieser Stelle.

Alles wird gut.

Frohe Ostern!

Zahlen des Tages: 123.878 und 2.736, sowie 53.918 Genesene und 67.229 Aktive.

Journal10042020

Tag achtzehn Kontaktverbot.

Eine Vergangenheit der kontaktreichen Beziehungslosigkeit.

Ich fühle mich nicht mitgemeint.

Weide am Teich im Ostpark im Hintergrund eine Gans

Am frühen Vormittag doch die Möglichkeit eine Runde durch den Ostpark zu laufen. Zwischen den Joggern gerade noch so Platz für uns. Den Rest des Vormittags auf dem Balkon verbracht. Wohin der Nachmittag verschwunden ist, kann ich nicht sagen. Er hat sich aufgelöst, verschwunden in eine andere Welt.

Zahlen des Tages: 119.401 und 2607, sowie 52.407 Genesene und 64.387 aktive Fälle

Journal09042020

Tag siebzehn Kontaktverbot.

Die Zahlen steigen nicht mehr so arg, aber sie steigen. Das Niveau ist immer noch hoch. Die Szenarien verdunkeln sich, das Wetter zeigt sich von seiner schönsten Seite. Bin heute wieder durch die Stadt gelaufen, geschützt mit der geschenkten Schutzmaske. Danke, liebe Maskennäherinnen. Danke, an alle, die ihre Lieben mit Masken versehen. Wir werden noch viele brauchen.

Briefkastenklappe mit der Aufschrift „Wünsche an das Universum“

Auch im Büro ist diese Ungeduld zu spüren. Wann geht es weiter? Wie geht es weiter? Vorschläge werden gemacht und wieder verworfen.

Eine seltsame Hektik. Gespenstisch.

Hab uns heute nochmal mit Leckerbissen eingedeckt. Ganz gegen den ursprünglichen Plan. Trost durch Essen scheint auch so eine kollektive Erfahrung zu sein. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Zusammenfassung meines heutigen Gemütszustand: Erschöpft.

Die Aussicht auf vier freie Tage tut gut. Wir werden nicht viel nach draußen können. Das ist das, was ich am meisten bedauere. Für uns ist zu wenig Platz zwischen all den Joggerinnen, Rädern und den Hundeleinen.

Drückt die Daumen, dass das gut ausgeht mit den Osterfeiertagen! Drückt ganz fest die Daumen!

Zahlen des Tages: 115.523 und 2451 Genesene 46.300 und 66.772 aktive Fälle.