Heute im Traum viele Busse und Bahnen verpasst, den falschen Weg eingeschlagen und den Treffpunkt nicht gefunden. Die Bahnhöfe verwechselt. Anstrengende Tråime sind Nebenwirkungen der Allergiemedikamente. Ich wache zerschlagen auf, verbringe die Tage im Nebel und gegen Mittag könnte ich mich erschöpft und ausgelaugt in eine Ecke legen und mein Bewusstsein ausknipsen. Die Medikamente nicht zu nehmen, führt in einen ähnlich erschöpfenden Zustand. Mir bleibt also immer die Wahl, welchen ich gerne hätte.
Damit sich dieser Zustand nicht so öde anfühlt, sorgt meine Verdauung regelmäßig für Spannung und Abenteuer in meinem Alltag. So ein Darm verfügt über einen Wichtigtuermodus, der sehr aufdringlich sein kann. Gekrönt wird das Ganze durch mentale Seltsamkeiten, die sich mein Körper leistet. In der Fachsprache sagen sie, er reagiert so, weil er die Umgebung nicht für sicher hält. Er soll lernen, dass die Umgebung sicher ist und dass er seine Alarmierung einstellen kann.
Tiefer Seufzer meinerseits an dieser Stelle. Ich habe die letzten zwei Jahre viel sonderbares Vokabular gelernt. Ich habe mich auf eine interessante Reise gemacht und bereue sie nicht. Aber ich bin trotzdem nicht sicher, ob mir Vokabular und Reise in irgendeiner Weise geholfen haben.
Nice to have, heißt das heutzutage. Das auf alle Fälle. Aber darüber hinaus, findet ihr mich ratlos seufzend.
Ich male jetzt mein abendliches Blumenbild. Weil es mittlerweile viele Bilder sind, gehe ich dazu über vorhandene Bilder zu übermalen. Sie wie Geschichten weiterzumalen.
Schlaflose Nacht, die in einem erschöpften Morgen mündet. Zerschlagen wache ich aus einem wirren Feuertraum auf. Der Schrecken der Katastrophe drängt aus der Traumwelt und macht sich breit in meiner aufwachenden Zerschlagenheit. Das Feuer ist längst heruntergebrannt und hinterlässt eine ausgebrannte Umgebung. Nicht sehr subtil dieser Traum.
Draußen zwitschern die Vögel um die Wette und die Sonne blendet mich gleich als ich die Augen öffne. Die Natur zeigt sich von ihrer besten Seite. Spendet Trost so gut sie kann. Lässt ihre Magie spielen. Zeigt Zauberhaftes und Wunderbares. Ich fühle mich definitiv mitgemeint.
Gestern Morgen im Bethmannpark. Ich wollte ursprünglich in den Palmengarten, musste aber umkehren. War doch nicht so stabil, wie ich mir wünschte.Aber was für ein Traum! Sieht fast aus wie ein Gemälde. Der Park ist ein Pausenraum. Die Berufsschüler*innen belegen fast alle Bänke. In Gruppen – meistens nach Geschlechtern getrennt – sitzen und stehen sie zusammen mitten in dieser Farbenpracht. Der Supermarkt von gegenüber versorgt sie mit dem notwendigen Proviant. Ich laufe atemlos die Wege ab. Fotografiere und zeichne Videos auf. Bin vollkommen im Bann dieser Schönheit. Kann kaum fassen, wie wundervoll ein Garten sein kann.
„A single flower can be my garden… a single friend, my world.“
Langsam fühle ich wieder sicheren Boden unter meinen Füßen. Mein Herz erfreut sich an der Natur und plötzlich ist die Welt wieder präsent. Das war die dritte Welle, durch die ich hindurch musste und jedesmal rieß es mich anders mit. Die Seele ist ein kompliziertes Gelände. Immer wieder verlangt sie einen anderen Kompass, anderes Navigiergerät. Oft habe ich das Gefühl von vorne anzufangen und die Erfahrungen der Vergangenheit zählen nie.
Heute ist nicht die Zeit, um darüber zu klagen. Heute ist die Zeit des Genießens. Die Gänseblümchen feiern ein Fest und mein Herz feiert mit.
Sie fliegen im Wind. Üben sich in Leichtigkeit. So zart, so verletzlich. Vergänglich. Sie trösten in dunklen Zeiten. Mich erinnern mich an die Kindertage und mein Herz wird weich.
Sie wachsen im Überfluss. Morgens noch war die Wiese gelb, dann zaubert die Natur diesen seidigen Flaum.
Es sind die kleinen Dinge, die meine Seele erfreuen. Ich möchte wegfliegen mit ihnen. Mit ihnen im Wind wirbeln. Aber meine Wurzeln sind fest verankert im Boden. Hier bin ich und bin wie ich bin. Veränderungen sind möglich, aber zäh und hart.
Nachhause kommen. So ein sanftes Gefühl. Ankommen und wieder einsinken in das eigene Leben. Im mentalen Gepäck so viele Erinnerungen. Mehr Bilder als Worte. Mehr Gefühle als Ereignisse.
Der Koffer ist längst schon ausgepackt, die Psyche sortiert noch das Erlebte, Gesehene, Gefühlte, Geträumte.
(Ein sicheres Zuhause. Das ist der Ort, den alle Menschen haben sollten.)
Ich tauche ein in die Landschaft, so wie ich sonst in die Literatur eintauche. Ich nehme sie in mir auf, mache kaum Fotos. Sie soll in mir verschwinden. Das Licht, die Farben. Alles.
Gestern der Regenbogen als wir auf der Rückfahrt von Rathlin Island waren. So breit, so weit, als wolle er die ganze Welt umarmen.
Die Küste von Nordirland ist atemberaubend. Sechs Tage lang war auf unseren Fotos ein unheimlicher, blauer Himmel ohne Wolken zu sehen. Jetzt besinnt sich das Wetter wieder auf seine lokale Besonderheit und zaubert Wolken, Sonne, Regen und gestern sogar ein Gewitter an den Himmel. Das Gewitter verschlief ich, den die atemberaubende Landschaft macht müde. Wind kommt jetzt auch auf. Wenn wir uns ein bisschen von der Küste entfernen sehen wir grün. Grün und dazwischen die Weiden mit den Mutterschafen und jeweils ein Lämmchen im Gras. Die Welt besteht gerade fast ausschließlich aus Landschaft und Bildern. Die Nachrichten und die Schlechtigkeiten der Welt sind rausgefiltert.
Luxusleben. Für ein paar Tage.
Hier in den Erinnerungen sehe ich, dass ich heute 17 Jahre Twitter-Jubiläum hätte. Auch diese Zeit ist vergangen. Wie sehr sich die Welt doch verändert hat und doch immer gleich bleibt. So viel Aufregung, so wenig das wirklich bleibt.
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich einmal durch die Straßen von Belfast laufe. Lässt man die Unruhen weg, dann ist es vorallem eine Arbeiter*innenstadt. Textilindustrie und Werften vor allem. Alles sehr bodenständig. Aber im Öffentlichen gibt es viele Wandbilder, viele Symbole, die entweder einer der Konfliktparteien zuzuordnen sind oder die an Frieden und gegenseitigen Respekt erinnern. Wie immer im Leben kann der Wunsch von vielen durch die Aktionen einzelner Menschen schnell durchkreuzt werden.
Für die Werften sah es lange Zeit schlecht aus, aber jetzt kommen wieder Aufträge. Aus der Rüstungsindustrie. Es ist bitter. So bitter, wie die Welt heute eben ist.